ANLAGE
Womit etwas beginnt, woraus was werden kann; ein weiterer Anfang (inmitten aller Anfänge), eine Ermöglichung, eine Ermächtigung nach vorn, ein strukturierter Ursprung — aber man weiß noch nicht, was folgt.
(Wie von Fragen an ein malendes Kind: „Was soll das sein?“, „Was soll das werden?“, auch: „Was soll das denn sein?“, „Was soll das denn werden?)
„Was soll das sein?“ – eine Anlage, „Was soll das werden?“ – man wird sehen.
Daraus kann was werden.
Es stimmt nicht, daß der Samen auf den Baum abzielt, der aus ihm hervordringt.
Mit dem Samen ist ein Lebensraum angelegt, der seine Erfahrungen noch machen wird.
Manche Samen keimen erst nach Jahren.
Ich denke in Anlagen.
Der Prozess des Salzkriechens.
Ein weiterer Anfang unter all den Anfängen.
Ich denke in Anlagen. Der Prozess des Salzkriechens.
Eine Anlage ist nie am Ende.
Siehe auch:
„…kein Grund die Hoffnung zu verlieren…“
(Zwei Anlagen 1994)
„Dies ist eine gepflegte Anlage“ – Anlagen muß man pflegen. Unsere Gesellschaft geht nicht sorgsam mit Anlagen um (nicht mal wirklich mit Investitionen).
Resultanten beobachten statt Resultate abgreifen.
Wenn man Anlagen liebt, wird man Ziele meiden.
AVANTGARDE 1
Das reine Licht. Rein, stark, überbordend, ätzend, unfruchtbar, so wie die Weiten des Pazifik Wüsten reinen Wassers sind, so wie der heiße Boden der Zentralsahara Wüste leblos reiner Nährstoffe ist, so wie das Luftmeer in den reinen, klaren Höhen – von Zugvogelkarawanen durchquert, die eilen, daß sie davonkommen – nahezu steril, so bringen die reinen Ideen Platons nichts, wenn nicht Schatten auf Höhlenwänden. Wir aber, Meister des Relief, wir Relevanten, wir Mineure der erhabenen Reste, wir haben die flüchtigen Schatten bewahrt, sind dem Lichtschein gefolgt.
Es gab die Zeit, in der wir dem Projektor entgegengingen, ins Licht strebten, einen Eingang mutmaßten in ewige ideale Leben, nur wenige entgingen dem Tode. Die aber, geblendet, tasteten sich zurück ins Dunkel der Höhlen, das schwärzer war denn je. Man schaut auch nicht direkt in die Sonne, sondern erforscht sie mittels im Widerschein abgeschwächter Bilder. Die aber tauchten langsam vor unsern sich langsam wieder weitenden Pupillen auf, wahre Erleuchtungen.
Zunächst kratzten wir mit Fingernägeln, schabten mit Steinen auf Fels und verwandelten die Umrisse, die schwankenden Schattierungen in Ritzungen und dann in flächige Senken; all das so, wie wir meinten, daß es uns vorgezeichnet wäre. Die Senken wurden Löcher, die Löcher Höhlen in der Höhle, diese Höhlungen wurden Gänge und überall zogen sich immer feiner ziseliert Muster über die Wände, aus denen wir der lichternden Schatten Anweisungen lasen.
Wir nutzten Spiegel und ander Trickwerk, um der Ideen Licht auch in die letzten, neuesten Winkel zu ziehen, wir bauten Lampen, und lebeten seit Generationen schon tief im Berg tief im Glauben auch an die überkommenden Weisungen.
Immer wieder hatten wir Momente ungeheurer Dunkelheit, wenn unseliger Weise die Lampen ausfielen. In solch erloschenen Momenten, während jemand eilte, sein Licht an einer stärkeren Quelle weiter aufwärts neu zu entzünden und zu uns zu bringen, während uns das Warten lang wurde, während wir das vor uns liegende Werk bedachten, entdeckten wir in unsern Grübeleien das andere Licht. Und als wir uns darüber verständigten sprang dies auf unsere Stirne, es wurde hell im Stollen, wir sprangen an die Arbeit, wir erkannten in klarerer Schärfe Fortsetzungen von Fortsetzungen der uns leitenden Bilder. Wir begriffen noch nicht.
Der Bote, den wir losgeschickt hatten, kam zurück, die Lampe die er brachte, im neuen Licht ein ärmliches Gefunzel – er geriet außer sich. Er verlangte Löschung, seine Augen schmerzten, er beschuldigte uns des Projektorfrefels … Tatsächlich, im Mute einer eigenartigen Gewißheit, machten wir unser Licht aus, löschten auch seine Lampe und warteten erneut. Grübeln einwärts. Um es kurz zu machen, es dauerte zwar, aber am Ende war genau er es, aus dem der neue Schein zuerst erneut sprang.
Inzwischen ist unser Berg ein Planet von Gangmustern durchzogen, von einzigartiger Durchlässigkeit, von Millionen Projektoren erleuchtet, wie er sich unserer Arbeit hingibt, expandierender, tunnel-provozierender Fels, Hefeteig für Mineure, Welt von Reliefs durchwaltet, Grübeln und Graben verschmolzen, Höhlenerscheinung, Spelynx-Epiphanie, in jedem Moment, jedem Punkte Vortrieb, Prophetie.
Dia- heißt »hindurch«.
So wie wir Schatten vor dem Licht waren, so nun auch Licht vor dem Schatten. Labyrinte lichternder Schatten, die Meister der dia-Tentakel .