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Künste am Rande der Welt

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Meta­kunst­werk

Meta-Kunstwerk, Metakunst-Werk

So situa­tiv arbei­ten, daß das Werk, ohne sich beson­ders abzu­he­ben, gar zu erhe­ben, im Netz der Sinn­struk­tu­ren einer Situa­ti­on eine quint­essen­zi­el­le Posi­ti­on ein­neh­men kann.

Es fängt in sei­nem Kör­per ste­pha­nus­ar­tig die viru­len­ten Pfei­le. Und lei­tet sie wei­ter. Das Werk scheint sich in die Sum­ma­ti­on der aus­ge­stell­ten Wer­ke zu rei­hen, es ergibt sich jedoch sozu­sa­gen als Resul­tan­te, es sucht nach gemein­sa­men Null­stel­len und ver­an­kert sich dort. Eine Kunst­aus­stel­lung erzeugt, wenn sie gelingt, ein Netz meta­künst­le­ri­scher Bezie­hun­gen. Jede der beson­de­ren Posi­tio­nen ist als Span­nungs­hal­ter des gemein­sa­men Fel­des und umge­kehrt als des­sen Erzeug­nis bewußt aus­ge­ar­bei­tet und ein­ge­setzt. So ein Feld ent­steht immer, sogar zufäl­lig, wenn kom­ple­xe Sinn­mo­men­te zuein­an­der­ge­stellt wer­den: eine Art unwill­kür­li­cher, oft unbe­wuß­ter Grup­pen­dy­na­mik der Din­ge. Bei guter Kura­tie­rung ent­steht eine bewuß­te Aus­rich­tung und Aus­stel­lung die­ser Dyna­mik. Aber nicht die Aus­stel­lung ist das Meta­werk. Son­dern je das Werk, wel­ches Meta­kunst betreibt. Künst­ler, die die Anord­nung ihrer Wer­ke als pla­sti­schen Pro­zess, und über die Anord­nung hin­aus, jedes Werk selbst  als im Pro­zess ver­än­der­lich, situa­tiv ein­set­zen, lösen sich aus den pla­ka­ti­ven Demon­stra­tio­nen und fal­len in die Koevo­lu­ti­on ihrer Wer­ke mit­hin der gemein­sa­men Situa­ti­on. Das geht über Kom­mu­ni­ka­ti­on, die hier hohl klingt, weit hin­aus. Aber ich rede schon nicht mehr von Aus­stel­lun­gen son­dern von der Struk­tur der Wirk­lich­keit selbst.

Jedes Kunst­werk, wenn es Kunstwerk sein soll, muß sich auf eben­die­se Wei­se in sei­ner Zeit ver­hal­ten, ver­an­kern; sei­ne Zeit ver­an­kern, so daß die Zeit man an ihm ver­ho­len kann.

(Ich muß auf­pas­sen, heut­zu­ta­ge ist es wie vier­tei­len. Was sage ich, vier, nur vier? — … )

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Mit­tel­meer

Nennt mich Isma­el. The Whiten­ess of the Wha­le.

Wei­ße Schach­tel und schwar­ze Schach­tel.

Das Mit­tel­meer; vom Mit­tel­meer zum Atlan­tik als neu­er Médi­ter­ra­née zum Pazi­fik dem nächst gewal­ti­ge­ren Welt­mee­res­raum zur Sum­me aller irdi­schen und schließ­lich dem Außen­raum der Erde, dem Vaku­um des Alls. Der letz­te Schritt, stülpt das Ver­hält­nis Erde/​Mittelmeer um. Nun ist die Erde Mit­tel­kon­ti­nent, der Berg der Ber­ge und eine gäh­nen­de Lee­re das Meer der Mee­re, der Uroze­an in wel­chem jeder Berg eine schwe­ben­de, krei­sen­de Insel ist.

Charles Olsen hat von die­sen Mee­ren die ersten drei. Mit­tel­meer, Atlan­tik, Pazi­fik, alle inein­an­der ver­schach­telt auf­ge­ho­ben, eine Flucht immer wei­te­rer Welt­mit­ten also Welt­meer, Oke­a­nos.

Charles Olsen, »Nennt mich Isma­el. – Eine Stu­die über Her­mann Mel­ville.« ini­tiert zum einen in sei­nem Buch die­se sich stei­gern­de Abfol­ge, zum andern ver­ab­schie­det er end­gül­tig die Küsten­see­fahrt und drit­tens ver­wan­delt er das ruhe­lo­sen Kreu­zen in der Mit­te, auf der Höhe des Mee­res selbst in einen neu­en unru­hi­gen Kon­ti­nent. Drift para­dox, das Beweg­te wird das Feste, das Uner­gründ­lich eine Grün­dung, im Frem­den fin­det er ver­trau­ten Halt.

Die USA, die fort­ge­setzt kolo­ni­sie­ren­de Kolo­nie, der amö­bi­sche Stoff­wech­sel Schlund Hun­ger: alle Kul­tu­ren, alle Wel­ten, Unter­wegs­sein als Nie­der­las­sung, Wal­fän­ger, Pio­nie­re, Avant­gar­di­sten, das Black­mouain Col­lege als Pequod, der Wal­fän­ger auf der Jagd nach Tran, mit­hin Lam­pen­öl.

Mir fällt ein, daß das Kraft­werk in Vock­e­ro­de von den Arbei­te­rin­nen und der Bevöl­ke­rung wegen sei­ner Lage an der Elbe und sei­nen Schorn­stei­nen, »der Damp­fer«, genannt wur­de. Sie heiz­ten die Kes­sel teils nach Gehör, da die Instru­men­te weni­ger ver­läß­lich, die Wege zu den Steu­er­ele­men­ten, den Not-Aus-Knöp­fen zu weit waren, und über­haupt die Kunst der Besat­zung war, das Schiff über Was­ser zu hal­ten, die Fahrt fort­zu­set­zen, stän­di­ge Repa­ra­tu­ren auf hoher See allein mit Bord­mit­teln und ‑mate­ria­li­en oft in Not plus Elbe­hoch­was­ser. End­lich erreicht den Damp­fer ein ret­ten­des Ufer. [DDR wird D] Die Schiffs­rui­ne liegt außer Betrieb, nie­mand will sie nut­zen, gar haben, Nost­al­gi­ker durch­strei­fen den ver­lo­re­nen Kör­per, kurz zie­hen Künst­ler durch; dann wer­den die Schorn­stei­ne gesprengt, der Schock des Ver­lusts. Nicht der­art sicht­bar: dies Schiff zu fah­ren, benö­tig­te vie­le, sehr spe­zi­el­le Fähig­kei­ten, Erfin­dungs­geist und Iden­ti­fi­ka­ti­on. Wie die­se auf die Bei­boo­te ver­teilt indi­vi­dua­li­siert und zer­streut wur­den — … Lost Place ver­sprengt, Dis­pla­ced Iden­ti­ties gesät.

Ahabs ver­lo­re­nes Bein. Alle Trick­ster hin­ken. Die Wei­te des Welt­oze­ans — Kants Trick, das Gewal­ti­ge jener Offen­heit in das Gefühl der Erha­ben­heit ein­zu­schlie­ßen: Wenn schon über­wäl­tigt, dann aber in vol­lem Bewußt­sein; das Erha­be­ne macht das Gewal­ti­ge genieß­bar — Ahab kann das nicht, will das nicht, ist die Lee­re nicht zu fas­sen, so wirft er sich in den Schlund und wird mit ihr eins. Dann:

Gegen­sei­ti­ges Ver­schlin­gen, Cha­os heißt Klaf­fen. Die Wun­de, Maul&Mund, ver­schlun­gen in gegen­sei­ti­gem Ver­nich­tungs­wil­len — Hesi­od sagt, »Zual­ler­erst wahr­lich ent­stand das Cha­os, aber dann (…)«

Um uns das Mit­tel­meer.

Mit­tel­meer Stroma­to­li­the