Zeichnen
Zeichnungen: Solange ich einen Stift in der Hand halte, zeichne ich, ist in der Hand ein Pinsel, nenne ich die Sache Malerei. Zeichnungen? Ich umgehe ’ne Menge Argumente und entscheide ad hoc: Zeichnen ist per Stift.
Ja klar, Pinselzeichnung, Spraydose, Kreidestein, Sticknadel, Messer, Schere, im Dunkeln LED, Pflug, Rasenmäher, Fell, genetische Expression, Algorithmen, Wii, …, Meißel und Faustkeile, … zeichnen alle.
Am Computer verursacht der Stift auch malerische Spuren, genauer gesagt, Spuren, die man z.B. für Pinselwerk halten könnte. Aber! Würde ich „Pinsel“ zum Stift sagen, ich wäre schon in der Täuschung befangen, die mir suggerieren würde, nicht, daß Pixel Ölschmier wären – Wie sollte man das schaffen? – sondern, daß im neuen Medium alles beim Alten bliebe, nur einfacher, schneller, sauberer. Nein, sogar das analoge Zeichnen verändert sich durch das digitale. Schon, daß ich es nun zur Unterscheidung „analog“ nenne, obwohl der Begriff nicht wirklich paßt, weist auf die Veränderung hin.
Eines aber ist – gefühlt – gleich geblieben: Schon früher, vor der Zeit elektronischer Möglichkeiten nahm ich den Zeichenstift als eine Art Steuerinstrument wahr.
Übrigens zeichne ich gerne „wie früher“. Bleistift liebe ich. Verabscheuen tue ich jedoch Leute, die mich auf das sogenannte Echte, Materialhafte festlegen, die Arbeit verleiden wollen. Meine Güte, Zeichnen war mir schon immer entdecken und denken, und mir die komplexen Einsichten entgehen zu lassen, die sich neuerdings ergeben, wie käme ich dazu?
Pinsel, Spraydose, Kreidestein, Sticknadel, Messer, Schere, im Dunkeln LED, Rasenmäher, Pflug, genetische Expression, Algorithmen, Wii, …, Meißel und Faustkeile, …, echt oder Imitat, vor dem Computer sind das alles Stifte. Ähnlich sind diverseste Musikinstrumente, an eine Elektronik angeschlossen, ein homogenes Steuerinstrument, welches den Bereich elektronischer Metamorphosen füttert (und mit Zusatztasten versehen) auch lenkt.
Wie hieß noch mal der Stift, mit dem Diskurse Gedankenlinien zeichnen? (Von Raum zu Fläche, zu Linie, zum dynamischen Punkt – und der ist intern auch noch unendlich … [Tjaahaa!]) Und? Hat er einen Namen?
Ein Computerkünstler bin ich nicht. Ein Graphiker war ich auch noch nie.
Mich faszinierte schon von Anfang an die Möglichkeit, mit einfachen Einzeichnungen in eine Fläche, diese Fläche in einen Raum aufzudehnen, der als universell, ewig und unendlich empfunden werden konnte. Weiße Leere als unsichtbare Topographie. Einsteins Ideen zur Schwerkraft konnten mir nicht fremd sein. Zeichnen wie Denken eine Landschaft. Aber vorsicht, ich zeichne nicht linear.
Zeichnen als ein Bewirken auf Distanz. Steuern einer Sonde, die übertragene Unmittelbarkeit, die Finger gleichsam immer schon auf der anderen Seite, direkt oder auf Umwegen — … der Stift tentakelt endoskopische Erfahrungen, kaum noch eine Wissenschaft, die nicht produzierend forscht, den Künsten gleich sich ihre Gegenstände einholend herstellt. Dinge erscheinen als Ausstülpungen der Fremde, innen noch immer der lebensfeindliche Raum dort, verpackt in eine Oberfläche, die Transparenz und Zugänglichkeit simuliert, für uns immerhin faßbar ist. Zeichnen all so.