Freibad

So sieht es aus das Ding. Ich such­te mich wund, in dem dich­ten Wust der Relik­te mei­ner Arbeit. Platz­man­gel ver­dich­tet. Man denkt, es ist alles vor Augen, aber das ist’s nur irgend­wo nah­bei eben außer Sicht. Relikt und Indiz einer sei­ner grund­le­gen­den Weg­ga­be­lun­gen, Bif­ur­ka­ti­on, Schis­ma. Häre­sie, Abspal­tung von der Rea­li­tät sogar, spä­ter zum

Freibadschachtel Auspacken

Anfang des Stu­di­ums zu einem Text geron­nen, zu einer Ver­schach­te­lung, aber im Ursprung ganz ein­fach.

Wenig­stens, dach­te ich, hab ich es doch durch­pho­to­gra­phiert, fand aber kei­ne Pho­tos. Dann fiel mir ein, ich hat­te »Frei­bad« zwei­mal per­formt. Davon gab es Auf­nah­men. So also fand ich es wie­der, es selbst, mit­hin das Aus­se­hen der Ver­packung, damit end­lich die Suche bei den Map­pen und dann das Ding. Wer­de ich hier bei­packen, also Bil­der, jeden­falls vom jet­zi­gen Zustand. Wich­ti­ger aber, was er damals schrieb.

Zwei­mal auf­ge­führt: a- tria­logmg, Tria­log Mar­burg 10.–13.5.2018 (Potos von dort); und Herbstreffen110 Kan­na­wurf, »Unter Was­ser ist über­all«.

Jahr für Jahr, bis der Kuo­li­mo-See die Bade­an­stalt ablö­ste, waren er, sei­ne Brü­der und ein Hau­fen Spiel­ka­me­ra­den, Schul­ka­me­ra­den spä­ter, jeden Tag der Feri­en im Frei­bad. Immer im Was­ser, von mor­gens bis abends. Toben und für ihn beson­ders, tau­chen. Etwas vom Grun­de hoch­ho­len, was auch immer. Die Lie­ge­wie­se »kann­te« er nicht. Er ging gehüllt in die Chlor-Regen­bö­gen sei­ner gerö­te­ten

Freibad in WD, Ansichtskarten

Augen abends nach hau­se. Sei­ne Phan­ta­sien beglei­te­ten ihn. Sie eil­ten ihm vorraus und emp­fin­gen ihn, waren schon da, wenn er, glück­lich und matt, ankam. Es gibt die­se woh­li­ge Erschöp­fung, über wel­che die Aben­teu­er ins Tag­träu­men glei­ten, wäh­rend man aus­ruht. Er galt als lang­sam. Es war aber die Inten­si­tät sei­ner Tauch­gän­ge, die ihn auf­hielt.

Er tauch­te gern. Ein­mal im Schwimm­un­ter­richt durch­tauch­te er das 50m Becken und noch 10m zurück. Er wies den Atem­wunsch in der Keh­le zurück, ugh, ugh, ugh, bei jedem Schwimm­zug. Aber er haß­te die Regeln des Sports und ließ den Unter­richt sein.

Er gehör­te nicht zu den Eif­ri­gen. Daher glau­be ich, daß es das »Wir«, auf das er sich bezieht, nicht gege­ben hat. Er woll­te nicht gehor­chen, er hat­te schon was bes­se­res. Er nennt es Unmit­tel­bar­keit.

Er lebt die Dis­kre­panz. Sei­ne Tauch­gän­ge füh­ren zu krass ande­ren Wer­tun­gen, als all­ge­mein üblich.

Auf­tau­chen ist der Moment der Scham, wo die Mäch­te sich tref­fen – was gilt. Er weiß, daß er unter­liegt.

Frei­bad (alte Ver­si­on, 1978)

Die städ­ti­sche Bade­an­stalt: ein Ort ohne Geheim­nis — alles dar­in ist clean, hygie­nisch geka­chelt, gechlort; ein mög­lichst sau­be­rer Genuß des Som­mers ist gewähr­lei­stet, Schmutz führt nöti­gen­falls zur Ent­las­sung des Bade­mei­sters, Unord­nung ist nur heim­lich mög­lich (eine Ver­schwö­rung) – aber für uns Kin­der der Raum uner­meß­li­cher Aben­teu­er.

Wir waren Schatz­su­cher! Täg­lich stie­gen wir hin­ab in blaue, küh­le Tie­fen, die still waren. Tau­cher waren wir so in einem geheim­nis­vol­len Oze­an und berei­cher­ten uns an unge­heu­ren Fun­den: Oft schwo­ren wir, nicht eher wie­der auf­zu­stei­gen, bis wir min­de­stens ein Geschenk der Tie­fe an uns gebracht hät­ten, ein fun­keln­der Dia­mant in unse­ren Hän­den lag oder mit wei­chen Bewe­gun­gen eine Pur­pur­schnecke. So weil­ten wir oft bis an den Rand einer Ohn­macht in die­sem Meer.

Grau­en­voll war der Auf­stieg, das Durch­bre­chen der Was­ser­ober­flä­che, und nur die unmit­tel­ba­re Not des Atmens zwang uns wie­der nach oben. Die Wun­der ver­trieb der Ekel. Ent­setzt lie­ßen wir alte Glas­scher­ben und auf­ge­weich­tes Bon­bon­pa­pier ins Bas­sin zurück­fal­len, ver­schämt behiel­ten wir ange­ro­ste­te Mün­zen. Unse­re Augen brann­ten plötz­lich vor Chlor, röte­ten sich und wein­ten. Die Angst vor dem näch­sten Auf­stei­gen­müs­sen ließ uns war­ten, bevor wir uns erneut zum Tau­chen fer­tig­mach­ten.

 

Die­se Angst trieb uns aus­ein­an­der. Die Kame­ra­den ertru­gen die Angst nicht. die Tie­fe lock­te uns, je mehr, desto weni­ger ertru­gen die Kame­ra­den die Angst. Es wun­dert wenig, daß sie sich schüt­zen woll­ten. Die Wun­der der Tie­fe mach­ten die Not uner­träg­lich. Je hei­ßer wir uns sehn­ten, die glück­li­chen Aben­teu­er zu kosten, um so unmög­li­cher schien es blei­ben zu kön­nen.

Sie fan­den Kom­pro­mis­se: Daß sie Tau­cher­bril­len auf­setz­ten, war die ent­schei­den­de Wen­de. Obwohl sie glaub­haft zu machen such­ten, nichts ände­re sich als ledig­lich das Bren­nen der Augen. Die mein­ten sie zu schüt­zen. In der Distanz, die sie auf die­se Wei­se zwi­schen sich und das wun­der­ba­re Meer brach­ten, sie­del­te die ent­setz­li­che Über­was­ser­welt. Die Schär­fe des Blicks (ermög­licht durch das Luft­pol­ster vor den Augen) nah­men sie als Erkennt­nis der Tie­fe — doch wie kann man erken­nen, wor­in man nicht unmit­tel­bar ist? Weil sie in der Fol­ge unter Was­ser nichts fan­den, was sie nicht auch über Was­ser hät­ten fin­den kön­nen, such­ten sie bald nur noch Mün­zen wegen deren Nut­zen. Bald schon ver­wen­de­ten sie Flos­sen und Schnor­chel, denn für Mün­zen muß man schnell und lan­ge tau­chen. Schließ­lich lie­ßen sie sich über­haupt nicht mehr ins Was­ser hin­ab. Allein es zu berüh­ren ließ sie schau­dern. So genoß ich die Schät­ze allein, die jetzt nur noch für mich da zu sein schie­nen.

Unten durch tau­chen und er selbst blei­ben, scheint sei­ne Devi­se. Aber er mischt auch über Was­ser mit. Er ist unter Leu­ten. Aber er hat jenen Vor­be­halt, und was sei­ne Ima­gi­na­ti­on angeht, ist er scham­be­haf­tet.

Er beginnt das Wider­stän­di­ge zu lie­ben, beson­ders die abwei­chen­de Argu­men­ta­ti­on, die neue Meta­pher. Er fühlt sich kon­ven­tio­nell. Er weiß sich voll Unrat, der, glei­tet er ins Was­ser, dem Grun­de nach edel ist und aben­teu­er­lich.

Etwas bewahrt ihn davor, Rea­list zu wer­den. Ein Zir­kel­schluß der Ein­sam­keit, in dem das Ein­sam­sein selbst genügt ein­sam zu machen. Chlor­ge­ätz­te Augen kann man kri­tisch wer­ten – unge­sund und aura­tisch.

Unbe­wußt ist immer und Écri­tu­re auto­ma­tique eine Begleit­erschei­nung.

Das gibt einen glück­li­cher­wei­se locke­ren Rah­men, wenn man sogar auch die eige­nen Relik­te sich im Sin­ne sym­bo­li­scher Inter­ak­tio­nen betrach­tet. Der Schutt­hau­fen ver­lo­re­ner Reste ist eben auch Gestal­tung, wur­de gewor­fen, auch ver‑, und bie­tet sich zu unter­schied­li­chen Ver­wer­tun­gen an. Was etwas ande­res ist, als wenn man Ord­nung, gar Anord­nung schafft. Sinn aber ent­steht jeden­falls. Rät­seln als flie­ßen ohne Ufer. Man muß zudem sei­ne trö­del­ge­nerier­ten Fun­de nicht mögen. Es folgt hier jeden­falls eine Sich­tung des »Freibad«-Objektes, bzw. was davon noch über ist.

Der Textkern des "Freibad"-Schachtelobjektes

Er kon­stru­iert eine über­la­de­ne, zusam­men­ge­ba­stel­te, ver­schach­tel­te Sym­bol­struk­tur. Ich gebe im Fol­gen­den eini­ge aktu­el­le Auf­nah­men des wie­der­auf­ge­tauch­ten Restes. Wenn die blaue Hand­schrift Pro­gramm sein soll­te, chao­ti­sche Wel­len­kamm­gra­phik, dann nimmt mein fah­ri­ges Zei­gen das nur auf.

Die­ser Scan zeigt den Text­kern des »Freibad«-Schachtelobjektes. Davon habe ich bis­her nur die­sen Scan gefun­den. Die Sei­ten sind her­aus­ge­nom­men, und wer weiß wo. Die Reste der Schach­tel habe ich aber doch, s.o. Die bei­den Trans­pa­rent­pa­pie­re waren links in die Schach­tel ein­ge­klebt und tra­gen das Manu­skript der ersten Fas­sung des Tau­cher­tex­tes in blau­er Hand­schrift. Unter den bei­den etwa A6 gro­ßen Papie­ren lagen bun­te Ansichts­kar­ten der Stadt Wie­den­brück, Ansichts­kon­glo­me­ra­te. Die recht­ecki­gen Aus­schnit­te in den Trans­pa­ren­pa­pie­ren erlaub­ten den Durch­blick auf je eine Ansicht der Bade­an­stalt, wäh­rend die rest­li­chen nur durch­schim­mer­ten. Der Text war vor dem Hinter‑, Unter­grund recht schwie­rig zu lesen. So kommt es, daß für den Scan ein wei­ßes Blatt zwi­schen­ge­scho­ben wur­de (Lei­der ein Schmier­blatt, mit irgend einem Fehl­druck auf der Rück­sei­te, der nun stört.) Ich weiß nicht, war­um ich das alles hier auf die Sei­te stel­le. Tja, war­um. Jugend­sün­de.

Freibad Schachtel Oberansicht
Freibad Schachtel Oberansicht 180°
Aufschrift Botschaft Hilferuf
Post- Paketzettel
Oberansicht liegend

Obe­re Sei­te der fla­chen Schach­tel. PVC-Folie, blaue Schwimm­bad­ka­cheln bemalt mit, wie ich sage, »Vogel­wel­len« in Form eines Sack­gas­sen­schil­des. Je nach Rich­tung sieht man Wel­len die sich stau­en oder Vögel, die ins Freie flie­gen. Über die Abflug­öff­nung hat er einen Paket­schein geklebt, der den neben­hin gekrit­zel­ten ambi­va­len­ten Hil­fe­ruf – »Befrei­ung« – unter »Für kur­ze Mit­tei­lun­gen an den Emp­fän­ger« wie­der­holt. Er weist an, wo die Schach­tel

Innenseite aufgeschlagen, erster Anblick

geöff­net und geschlos­sen wer­den kann.

Schlägt man die Schach­tel auf, fin­det man innen eine ande­re Welt magi­scher Natur, Farn- und Schat­ten­zei­chen, Natur, die sich ver­sie­gelt, sich aus dem natur­ei­ge­nen Buch zitiert, sich Hand­zei­chen mensch­li­cher Art bedient. Bespielt einer­seits einen Rah­men, der einem Her­ba­ri­um ähnelt, ande­rer­seits der einer ande­ren Kache­lung, im Nach­kriegs­stil pro­vi­so­risch geka­chelt tape­zier­ter Bade­zim­mer. Hier in die­se Aus­stat­tung waren die Ansichts­kar­ten-Tau­cher­text Blät­ter ein­ge­legt. Hier hat es zudem auch einen qua­si ein­hei­mi­schen Text in Grün. Folgt man dem, wer­den die dramatisch/​ambivalenten Hil­fe­ru­fe auf der Außen­sei­te plau­si­bel. [Die Let­tern, das Reli­ef der Typen sei­ner schwe­ren Tri­umph Adler.]

Ich bin drinnen Text, Transparentpapier, Schachtel innen
Das Buch der Natur, Farnschrift, Siegel
Detail Farn
Farn Detail 2
Drinnen Text, Detail

Ich bin drau­ßen, ich will hin­ein, das Schloß ver­wehrt mir den Ein­gang.
Viel­leicht bin ich in Gefahr und brau­che die Sicher­heit drin­nen.
Viel­leicht ist drin­nen etwas, das ich her­aus­ho­len will, ich will eigent­lich nicht hin­ein, aber ich begeh­re, was drin­nen ist, und so muß ich wohl oder übel.
Viel­leicht will, was drin­nen ist, her­aus, ich will es befrei­en, dann brau­che ich nicht hin­ein, es kommt mir ent­ge­gen.
Viel­leicht ist drin­nen mehr Gefahr als drau­ßen, und ich kann mit gutem Grund damit rech­nen, daß, was also her­aus will, mir hilft, das Schloß zu öff­nen (irgend­wie).
Denn geöff­net wer­den muß das Schloß in jedem Fall.

Ich bin drin­nen, ich will hinaus,das Schloß ver­wehrt mir den Aus­gang.
Viel­leicht bin ich in Gefahr und brau­che die Sicher­heit drau­ßen.
Viel­leicht ist drau­ßen etwas, das ich her­ein­ho­len will, ich will eigent­lich nicht hin­aus, aber ich begeh­re, was drau­ßen ist, und so muß ich wohl oder übel.
Viel­leicht will, was drau­ßen ist, her­ein, ich will es befrei­en, dann brau­che ich nicht hin­aus, es kommt mir ent­ge­gen.
Viel­leicht ist drau­ßen mehr Gefahr als drin­nen, und ich kann mit gutem Grund damit rech­nen, daß, was also her­ein will, mir hilft, das Schloß zu öff­nen (irgend­wie).
Denn geöff­net wer­den muß das Schloß in jedem Fall.

Wink­be­we­gung. Winkt der Baum zurück?

Er hat­te dem Baum soeben ein Schat­ten­zei­chen gege­ben, als ein plötz­li­cher Licht­wech­sel den Schat­ten aus­lösch­te, den sein win­ken­der Kör­per auf den Wald­bo­den gezeich­net hat­te. Allein sei­ne grü­ßen­de Hand blieb und blieb lan­ge genug, daß er noch das Pho­to machen konn­te. Dann ver­schwan­den Licht und Schat­ten. Sekun­den glaub­te er, eine Ant­wort bekom­men zu haben, qua­si eine Ver­schat­tung aus der inne­ren Opa­zi­tät des Bau­mes, akti­ve Dun­kel­heit, als wäre sei­ne eige­ne opa­ke Inner­lich­keit für die­sen Moment mit jener ver­schmol­zen. Alles hängt über sein opa­kes Innen mit allen ande­ren zu-

Schattenzeichen Hand

sam­men. Die Opa­zi­tät des Innen gehört allen. Er denkt immer wie­der über dies als eine Form der Iden­ti­fi­ka­ti­on nach. Ein Schat­ten­raum rea­li­siert sich als Anpas­sungs­brücke. Für den Baum sei­ne Hand im Gegen­licht, für ihn selbst ein Schat­ten auf der Rin­de. Ist das eine Berüh­rung? Eine ein­drin­gen­de Küh­le?
Er sucht nach einem Angel­punkt um den sei­ne Prä­senz sich im Moment in die des Bau­mes schwin­gen könn­te. Könn­te es egal sein, auf wel­cher Sei­te des Schat­ten­zei­chens wer stün­de? Wäh­rend er über gegen­sei­ti­ge Tie­fe grü­belt, über­kommt ihn das lang­be­kann­te Gefühl am Ende sei er als Ober­flä­che auf eine Schwel­le »zwi­schen« gebannt.

Viel­leicht läßt sich das kla­rer vor­stel­len, wenn sei­ne Bezie­hung zur eige­nen Haut und Ober­flä­che mit bedacht wird. Unge­fähr über die Dau­er sei­ner Puber­tät zeig­te sei­ne Haut selt­sa­me Schwel­lun­gen, wenn sie durch Berüh­rung gereizt wur­de. Mit einem spit­zen Stock auf die Haut gezeich­ne­te Lini­en waren zuerst weiß und fein, dann rot und inner­halb von weni­gen Sekun­den wur­den Quad­deln in Form der Lini­en dar­aus. Man konn­te auf sei­nem Rücken z.B. regel­recht schrei­ben. Sein Haut­arzt nann­te es ner­vö­se Stig­ma­ti­sie­rung. Heu­te weiß er, daß Medi­zin es »der­mo­gra­phi­sche Urti­ka­ria« nennt, sozu­sa­gen »Haut­zeich­nen­de Nes­sel­sucht«. Eine Unru­he in sei­nem Kör­per beant­wor­tet ein Krat­zen auf der Haut mit ent­spre­chen­den Schwel­lun­gen der Haut. Stig­ma­ta. Wör­ter, wenn Wör­ter geschrie­ben wur­den. Von wo? Das trieb ihn an in den eige­nen Kör­per hin­ein­zu­füh­len. Ein neu­er Sinn, er ent­deckt die Pro­pio­zep­ti­on, sei­ne Eigen­wahr­neh­mung innen. Heu­te würd er sagen, sei­ne Tie­fen­sen­si­bi­li­tät. Er hat gern die Augen geschlos­sen. Er emp­fin­det Sehen tat­säch­lich als hin­der­lich, es sei denn, es sei mit die­ser Tie­fen­wahr­neh­mung ver­bun­den. Eigent­lich fin­det er, geht unter jeder Ober­flä­che solch vor. Span­nun­gen, far­bi­ge Lini­en, Bewe­gungs­ket­ten strecken Ereig­nis­se über Abstän­de hin­weg, die sein Kör­per sind. War­um nicht über­all und über­haupt und eigen. Die Wirk­lich­keit zeich­net sich von innen. Dabei bleibt ihm sei­ne Haut, als Grenz­flä­che zwi­schen inne­rer, auch in der Eigen­wahr­neh­mung qua­si lee­rer Opa­zi­tät, und der tur­bu­lent her­an­fah­ren­den äuße­ren Rea­li­tät Mem­bran, Ver­mitt­lungs­feld.
Im vor­lie­gen­den Fall läßt er von dem Schat­ten, den er auf den Wald­bo­den wirft, einen Arm, Hand, gespreiz­te Fin­ger, auf einen Baum­stamm fal­len. – Licht­wech­sel war­um auch immer: und plötz­lich ist nur noch der Arm sicht­bar. Der Schat­ten sei­nes Kör­pers, mit­hin die Ursa­che, ist ver­schwun­den. Irgend­et­was in der Tie­fe des Bau­mes erhält sich die win­ken­de Geste auf der Rin­de. Sein Arm. Er steht selbst­ver­ges­sen in Iden­ti­ät ver­lo­ren, ein Schat­ten sei­ner selbst, aber schafft’s immer­hin, sonst-glaubt-mir-das-nie-einer, Pho­to­gra­phen­re­flex, eine Auf­nah­me zu machen. Was eine Situa­ti­on. Der unbe­wuß­te Tau­cher, das Zuspiel des Wal­des, wie es nicht ver­gißt sei­nen Schatz zu ergrei­fen. Dann durch­bricht er die Ober­flä­che und muß nun sein Doku­ment ver­tei­di­gen, kein Trick, nichts mit Pho­to­shop!

Das licht­lo­se Innen über­haupt, ist Blau, mal dun­kel mal hell und kann Far­ben machen.

Wenn ein sanf­ter Fin­ger ihn strei­chelt, so ein­dring­lich, daß tief in ihm ein Wei­nen ent­steht, lie­be Stö­ße der Atem­mus­keln oder ein Quasi­at­men, wel­ches ihn das Luft­ho­len ver­ges­sen läßt, weil gera­de jetzt lebt er von Lie­be und was ist schon Zeit. Dann denkt er, daß sei­ne Kün­ste eben­so wir­ken könn­ten. Es sei die­se Schach­tel ein stig­men­locken­des Zeich­nen, fah­ri­ge Ein­schrei­bung in die Ober­flä­chen der Welt — und wie! es sich von ihr aus wei­ter evo­zie­rend aus­brei­tet.

Aufschrift Botschaft Hilferuf

Wen auch immer es betrifft:

Wen auch immer es betrifft:
Ich bit­te Sie instän­dig mich zu befrei­en! Ich lei­de! – Zei­gen Sie mir Git­ter, Schlös­ser, gegen die ich anren­nen muß, Aus­we­ge. Mein stän­di­ger Lauf im Kreis mag Sie amu­sie­ren, ich aber zweif­le am Sinn mei­ner Tätig­keit.
Schen­ken Sie mei­ner Sehn­sucht ein Fen­ster, eine Aus­sicht. Ich hal­te mei­ne Sehn­sucht nicht aus. Las­sen Sie mir mei­ne Sehn­sucht!

Ehr­erbie­tigst Ihr AP FORSCHER

Mir fällt jene Auf­schrift ein, mir jeden­falls etwas pein­lich, mit dem er wohl ver­sucht, auf selt­sa­me und unge­len­ke Wei­se die Emp­fän­ger des Schach­tel­wer­kes zu beein­flus­sen. Jeden, den es beträ­fe. Der Text wie­der­holt das was, offen­bar zu schnell aus­geb­li­chen, auf dem dane­ben ange­kleb­ten Paket­auf­kle­ber zu lesen war. Er will, daß es wei­ter­hin in aller Deut­lich­keit zu lesen sei. Eine Bot­schaft, poten­ti­ell per Post in die Welt geschickt, an jeden, der sich als betrof­fen wahr­nimmt.
Eine Fla­schen­post und ein Hil­fe­ruf. Irgend­wie unan­ge­nehm puber­tär viel­leicht. Er sieht sich als For­scher. Immer­hin! Damals schon. Was wird aus dem Tau­cher? Ist ihm sein Reich der Unmit­tel­bar­keit zu eng gewor­den? Sehnt er sich nach Mög­lich­kei­ten gren­zen­lo­ser tau­chend Fun­de zu gene­rie­ren, Fun­de und Ent­deckun­gen gar, die auch über Was­ser hal­ten, was sie unter Was­ser ver­spre­chen?
Ich fin­de beson­ders unan­ge­nehm, wie er sich um Hil­fe an ande­re wen­det und die­se indem sofort abweh­ren muß. »Las­sen Sie mir …«.  Nicht befrie­det wer­den will er, jedoch braucht er die Här­ten sei­ner Gefan­gen­schaft, Git­ter, Schlös­ser, als Wider­stän­de. Er will öff­nen. Er sucht Gegen­stän­de, an denen es sich abzu­ar­bei­ten lohn­te und somit Aus­sich­ten schaf­fen könn­te: Fen­ster der Sehn­sucht. Wäh­rend die Wel­len der »Sack­gas­sen-Gra­phik« ins Aus­weg­lo­se hin­ein­lau­fen, sich aber sofort befreit sehen wür­den, wen­de­ten sie sich, um Vögel wer­den zu kön­nen; man muß es ihnen nur mal sagen. Müß­te die Schach­tel pas­send drehen.Tu Dich um, und aus dem Bas­sin der Bade­an­stalt wird als durch­läs­si­ger Was­ser­kör­per ein Teil aller Was­ser­rei­che. Den­noch aber blei­ben Sehn­sucht und Suche nach einem radi­kal Neu­em.

Er könn­te über­all anset­zen, Öffent­lich­keit läßt über­all solch Din­ge auf­quad­deln: als wüß­te er das nicht. Immer­hin trau ich ihm Nai­vi­tät auch als Iro­nie zu.

»Öffent­lich­keit ist wider­lich! Tat­säch­lich kann man nicht nicht kom­mu­ni­zie­ren.« Und: »Ihr wer­det nie«, sage ich zum Publi­kum, »erfah­ren, wie ich wirk­lich bin!« –  ant­wor­tet der Chor: »Dann machen eben wir Dich zu Dir selbst, Dei­ne Wirk­lich­keit stel­len wir uns her!« —
— erwi­de­re ich: »Nun end­lich kön­nen wir begin­nen, machen wir uns gegen­sei­tig, wir wer­den uns wun­dern. Aber Ihr seid mein Publi­kum gewe­sen.« – [aus »Ver­ding­li­chung« (pdf 60KB) im Bei­heft zum »Pro­me­na­den­kon­zert«, 11.1989]

Zu sein, wo Ver­öf­fent­li­chung nicht mög­lich ist. Der Zufluchts­ort wo er kon­kret ist. Die Regio­nen des Kon­kre­ten, heu­te würd er sagen Ora­kel­quel­len, die Kom­pli­ka­ti­ons­spie­le der Ver­mitt­lun­gen, die unend­lich viel­di­men­sio­nal sich fal­ten­den, bre­chen­den Ober­flä­chen der Welt nimmt er als Gestal­tungs­fel­der. Das, was ist, was es ist, ist pla­stisch. – Muß man auch erst mal ent­decken. Öffent­lich­keit ist Ober­flä­che und bie­tet sich an – Sachen zu machen.

Mat­schi­ges Bon­bon­pa­pier zu Pur­pur­schnecken in kon­kre­ter Unschär­fe. Zum Bei­spiel.

Ich lie­be es, spe­zi­el­le Sachen in unter­schied­li­che Umge­bun­gen zu brin­gen. Zum Bei­spiel den Frei­bad­kom­plex unter und mit Leu­ten zu trans­for­men.

Von dem aus, hat es den Sprung zur »Freibad«-Performance. Sie­he dort.