T
secundär · stumm · goethe · verquast · didaktisch
Text: secundär
Ich schnappte mal irgendwo auf: Wer sich mit Kunst beschäftige, der müsse auch verquaste Texte lesen. Ich würde sogar weiter gehen, strenger noch und zugleich ohne erhobenen Zeigefinger, tatsächlich — „Wer sich mit Kunst anfreundet, wird auch verquaste Texte lesen.“
Ich jedenfalls mag es verquast – zu lesen und zu schreiben.
Verquast, tolles Wort!
Nicht leicht zu schlucken.
(All ihr reichen und armen Schlucker, kauen sollt ihr, nagen, raspeln. Fort mit Milchbrötchen und Biscuits, Essen weich wie Scheiße.)
Text: stumm
Hörte auch, der Künstler solle statt zu reden, bilden. So verstanden, daß Künstler von Textproduktionen lassen sollten, da die Kunst ohne Worte auskäme, lediglich stille Indizien darstelle. Der Künstler solle deutenswerte aber stumme „Genie-Natur“ abliefern:
a) Na klar, damit die Armada aus Deutern, Kritikern, Lehrern freie Bahn hat —
b) genauso klar, wo die Definitionsmacht liegt,
c) vor die Kunst gestellt der Vermittler Vermittlung, Direktive und Filter; blockierte Mitte;
d) Averbales und Textliches dürften nicht aus derselben Quelle stammen;
e) Medien- Mischungen, Gemenge, Konglomerate, Mitteldinger, Überlagerungen — na ja solange stumm innerhalb Werkgebäude;
f) so wird der Künstler auf sein Werk borniert, dies Künstlergefängnis; er verbliebe
g) befangen in seiner Selbstgewisserung, waffenlos in der Verteidigung;
h) …
zz) Gesamtkunstwerke verschoben, verladen.
Übrigens, das vollständigste Gesamtkunstwerk ist die Realität, Realkunst
Text: goethe
Bilde, Künstler
Johann Wolfgang Goethe
Bilde, Künstler! Rede nicht!
Nur ein Hauch sei dein Gedicht.
Hier kommt er also her, der dumme Spruch, und ist weder so gesagt, noch so gemeint, wie kolportiert:
Goethe wird an was Haiku-Ähnliches gedacht haben – eine Formkapsel, komprimierter Menschwerdungshauch, abzusondern, weiter zu leiten.
Gott, Hauch =gedichtkanüle= in Lehm macht Mensch.
Hauch, mein zorniger, mein fröstelnder, mein ohnmächtiger, meine Rache, mein Apparat, mein Zart, im Gegensatz zu Pusten, lachst schon, rasselnde Bronchien, den Hauch nach innen wenden, einhauchen diys, Hauchlehm füllt die Lungen, mit schweren Flügeln abgehoben, Aufwind gehaucht und also ausgehaucht, leichter geht’s nicht. Fliege sanft.
Text: verquasen
»Verquast«, eines von den Wörtern scharfer Mißbilligung im Studium. Stich, eingeimpft infiltriert. Verquasen geht gar nicht. Ist auch eines der Wörter, die sich schlecht positiv wenden lassen. Wer will sich schon äußern, wie ein Sätze langatmig drechselnder Referendar Anwalt? Ein Schriftsteller, der sich spreizt, reicher an weit her geholten Metaphern als an Klarheit. Nicht auf den Punkt kommen endlose Predigten langweiliger Popen. Aber knapp, raffiniert, strategisch, zielbewußt und effektiv, Transmitter–Responder Mechanik, dem schnellen Zugriff blitzender Aneignung wohlfeil: Erfolgsrezept, wo doch quick die Aufmerksamkeit …
Na und! So what! Wennich mich schon diszipliniere, dann wie’s grad paßt, und/oder mich dagegen loslasse. Aber langweilig darf ich ja nicht sein, wenigstens. Kann mich aber auch von Publikum und Anspruchshaltung abwenden. Kann ich.
Hinweg von den perfekten Treffern routinierter Kreativität, gekonnter Improvisation, die gegebene Regeln bestätigen statt zu überschreiten. Ich überschreite so selten, daß mir jedes Holpern, Umschweifen und Verquasen recht ist. Mühsam hinüber, sogar per Manier und Manie, sogar mittels kaputter Konstrukte. NeuWege jenseits sehen nicht gut aus. Wer aus seiner Rolle tritt, wirkt nicht nett. Wer sich elaboriert äußert, spontan richtig liegt, aus der Hüfte trifft, hat geübt, weiß was er tut, bewegt sich im Vertrauten.
Unrein, unrein. Wer sich nicht wirr und schlammig ausströmt, hat seinen Deich noch nicht durchbrochen. Flutet, flutet und all die Debris nimmt Euch mit im Schwall.
Man kann auch mit Konstrukten hinüberwachsen. Qua heißt mittels, durch, auf dem Wege. Qua heißt, nur weg hier. Gewundene Unsicherheit mäandert nun mal.
Aber letztlich ist diese Auseinandersetzung seit langem entschieden. Künstler texten.
Schneckenfraß- Spuren auf Findfang und Algenrasen.
Schluß mit Rant. Tatsächlich mag ich’s ja eher unschlammig, bzw. wenn, schlamme ich gegen meine eigene Regelhaltigkeit, die verinnerten »so soll’s«; ich will’s ungebunden – seltsam, daß eher ich mich spreize, umwegig quase, perse, viase, Ordnungs-Schuppenflechten [das kommt von den Ellbogen], also Selbstvermittlung einerseits, anderseits Schamabwehr (s. der Orakelbuch »Pumpsmumps« Mulm nach Art einer Brekzie)
Ich merke sie mehr als den Unwillen, „Wer soll das lesen? … die Leute wollen …, und außerdem, „Bilde, Künstler, …!“, na ja, tja. »Auch noch leeesn … «
Wer’s nicht liest, der liest’s halt nicht. Genug der Selbsterläuterung.
Was mach ich im Kunsttalk?
Oder mal umdrehn: die Künstler reden, erläutern, lassen Text ins Werk ein, bauen auf Texten auf … was aber wenn das Interpretenvolk mal textlos mit Kunst antwortete.
Text: didaktisch
die Freiheit des Betrachters