was kei­ner erwar­te­te

Jutta Neuhaus’ Eisvogelbatterie

Keimzelle "Salzkriechen". Batterie/Eisvogel, Detail Jutta Neuhaus, Installation, 1981
Keimzelle "Salzkriechen". Batterie/Eisvogel, Detail Jutta Neuhaus, Installation, 1981

29.3. – 20.4. 1981

„Als Kolum­bus Ame­ri­ka erfand“, Aus­stel­lung von, mei­ner­seits, „End­los fik­ti­ve Rei­sen – ein Fun­dus“; Altes Rat­haus Rüt­hen.

Es ist viel­leicht ganz gut, daß ich wei­te­res Mate­ri­al zum Bei­trag von Jut­ta im schlecht geord­ne­ten Archiv nicht fin­de, nur die bei­den Auf­nah­men oben. Erin­ne­run­gen wie Doku­men­te soll­te man viel­leicht los­las­sen, damit sie pro­duk­tiv blei­ben. Ich weiß, daß ich die gesam­te Aus­stel­lung durch­pho­to­gra­phiert habe, damals. In mei­ner Erin­ne­rung fin­de ich nicht viel mehr. Ich wer­de aber ergän­zen, sobald sich auch nur Bruch­stücke wie­der­fin­den. Der Kon­takt zu Jut­ta ist lei­der seit lan­gem abge­bro­chen.

Jut­tas Eis­vo­gel-Bat­te­rie ist Teil einer grö­ße­ren Instal­la­ti­on. Ein Schirm, damals in Tee­lä­den ange­bo­te­ne Chi­noi­se­rie, war in eini­ger Höhe auf­ge­hängt. Jut­ta hat­te ihn weiß ange­malt. Er mach­te aus Mull­bin­den, die über sei­nen Rand rings­um, je Seg­ment eine, her­ab hin­gen, soet­was wie einen schwe­bend ver­schlei­er­ten lee­ren Hof. Lose Bin­den, seit­lich auf des­sen Lee­re also auf’s zar­te­ste auf­ge­legt, nur gera­de das lei­se Schwan­ken im Wind­zug als »Druck« auf eine Haut, die sich mehr als nur unsicht­bar zu ent­zie­hen weiß: emp­find­sa­mer als nur emp­find­lich.

Zu Füßen jener Abwe­sen­heit unter dem Schirm befand sich das Becken, die Lake, Kup­fer und Zink­pol, der Draht, der aus­ge­stopf­te Eis­vo­gel, kurz die Bat­te­rie für Sprung und Flat­tern, wie bewirkt, so ange­hal­ten: der Ver­such, das blit­zen­de Vogel­ge­schöpf zu ver­le­ben­di­gen — gal­va­nisch.

Weit­rei­chen­de Asso­zia­tio­nen, von den eige­nen Befin­dun­gen der Künst­le­rin, in die Kunst = Ver­le­ben­di­gung über’s Abbil­den weit hin­aus, zu Wis­sen­schaft, Gal­va­nis­mus, Eso­te­rik, Mytho­lo­gie.

Wir leb­ten in Mün­ster, die Aus­stel­lung war im Rüt­he­ner Rat­haus, man rei­ste ab, man rei­ste wie­der an. Ich muß beken­nen, ich erleb­te einen Schock. Jut­tas Instal­la­ti­on war beim Ein­tre­ten die erste, das Becken, beschä­digt, aus­ge­lau­fen? Jeden­falls war es weiß umge­ben, fast kreis­för­mig ein brei­ter Hof feucht, zart, orna­men­ta­le Schü­be, natür­lich, schön; die Wän­de des Beckens innen wir außen von sel­bi­ger Schicht über­zo­gen, man muß­te eine Wan­de­rung der Schicht anneh­men, ihr Mate­ri­al muß­te Salz sein, was sonst, und irgend­wie war es müßig zu fra­gen, wer hier ver­ant­wort­lich war für die­ses da — nichts ande­res kam in Fra­ge, als das Salz­was­ser selbst.

Mei­ne erste Begeg­nung mit dem Krie­chen von Salz­la­ke. Für uns alle war das über­ra­schend. Ich frag­te Jut­ta, ob sie das geplant hat­te, nein. Ob ich es mir rüber­ho­len kön­ne, um dran wei­ter­zu­ar­bei­ten, ja.

Die Instal­la­ti­on selbst schien mir, hat­te auf die mit ihr gege­be­ne Situa­ti­on reagiert. Inter­ak­ti­on und Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on von Kon­stel­la­tio­nen ein­schließ­lich ihrer mög­li­cher Aus­le­gun­gen„ , also: Inter­ak­ti­on, Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on und Selbst­aus­le­gung. Soweit war ich damals noch nicht, nur end­gül­tig fas­zi­niert. Ver­zau­bert. Na ja, hält bis heu­te an und hat mein Ver­ständ­nis von, »Situa­ti­on«, bedeu­tend erwei­tert.

Dies die erste von zwei »Kolum­bus erfand« Aus­stel­lun­gen: Teil­ga­ben von Jut­ta Neu­haus, Uli Küg­ler, Gerd Küg­ler, Jür­gen Jin­dra, Andre­as Pesch­ka

[gemein­sa­me Fah­nen/­Pla­kat-Gestal­tung]

als Kolumbus Amerka erfand, Fahne