1982, Nr.1, das Stan­dard-Senf­glas-unter-Salz­kru­ste
— erneu­te Per­for­mance, Nr.2, 8.6.2024 —

1982 Nr.1, das Standard-Senfglas unter Salzkruste
1982, Nr.1

Es gibt nur dies Pho­to. Anson­sten ist die­ser erste Ver­such einer geziel­ten Sal­zung nicht doku­men­tiert – viel­leicht mei­ne alte Anlei­tung noch. Auch das Pho­to ist spät. Der wei­ße Kra­gen auf der Glas­plat­te rings um das Glas ist schon zer­bro­chen. Es hat Staub. Doch immer­hin. Dies Pho­to gibt es — und nun die­se neue Sal­zungs­an­la­ge als eine Neu­auf­la­ge. Seit 08.07.2024: Ein ein­fa­ches Trink­glas aus dem Küchen­schrank, gesät­tig­te NaCl-Lösung zur Hälf­te ein­ge­füllt.

Metho­de – Kom­men las­sen. War­ten.

Die Anah­me, daß nichts pas­siert, ist getränkt und gekränkt von einer Erwar­tung, die vom Stan­dard­glas bestimmt wird. Der rau­he schnee­ige Über­zug soll her. Man will akti­vier­te Zeit­lu­pe, die Ent­täu­schung macht, daß man unüber­leg­tes Zeug redet.

Natür­lich pas­siert nicht nichts, son­dern viel. Und es ist eine Auf­ga­be, die­ses sich vor­zu­stel­len. Was also, und zwar umfas­send, ist im Gang. Die­se Tage uner­füll­ter Erwar­tung sind ein Geschenk Offen­heit — Auf­klä­rungs­an­la­ge.

Ich bin mir noch nicht schlüs­sig, ob ich ein Menu, z.B. des Zeit­ver­laufs, machen soll. Im Moment fin­de ich o.k. wenn man scrollt. Das Scrol­len wäre dem War­ten ana­log zu sehen. Es gibt kei­ne Abkür­zung. Zwar kann man beschleu­ni­gen, aber das ist doch ein gewalt­tä­ti­ger Zug, kein gutes Gefühl; plötz­lich geht’s ihm ziel­be­wußt ab. Man rennt auf’s Gera­te­wohl. Man fliegt an dem vor­bei, was man ver­paßt. Also nein, kein Menu.

4.9.2024 – doch ein Menu.

Neuanlage Salzung im Glas 8.6.2024
16.6.2024

Das Pho­to ist vom 16.6.2024. Seit dem 8.6. pas­siert nichts. Kei­ne Aus­blü­hung, kein klein­ster Kri­stall im Menis­kus gewach­sen. So lan­ge hat es beim ersten Glas von 1982 nicht gedau­ert, oder erin­ner ich mich falsch? Ich begin­ne an mir zu zwei­feln. Ich hade­re mit der Eigen­wil­lig­keit der Lake. Hei­li­ge Unge­duld.

Meni­kus heißt Mönd­chen; deut­lich sähe man die Sichel­form in Reagenz­glä­sern.

Blick auf den leeren Meniskus

Am Menis­kus, der Hohl­keh­le des Was­ser­spie­gels, erwar­te ich eine kapil­la­re Rei­he klei­ner Kri­stal­le.

Frustsalz, es will nicht blühen.
29.6.2024

Das Pho­to ist vom 29.6.2024. Seit dem 8.6. ist nichts pas­siert. Ich bin unru­hig. Ich ver­däch­ti­ge mich, nicht wirk­lich gesät­tig­te Lake ange­rührt zu haben. Ich streue gar nach­träg­lich von dem Salz einen Tee­löf­fel hin­ein. Das Salz bleibt unten lie­gen. Die Lake war gesät­tigt. Ich wüß­te gern, war­um die Lösung nicht kommt. Der Was­ser­spie­gel ist gesun­ken. Über­sät­ti­gung?

Am Meniskus ansetzend am Morgen, Salzkriechen

Ein Anfang. Der Salz­rand scheint waa­ge­recht geschich­tet. War­um? Hat das Bestand? Nach vorn zeigt sich eine eben­mä­ßi­ge­re obe­re Linie, Rück­sei­te ist wel­li­ger, ungleich­mä­ßi­ger.

Endlich, das Salz züngelt. Nach 4 Wochen!
8.7.2024

Das Pho­to ist vom 8.7.2024. Nach vier, 4!, Wochen ein Lebens­zei­chen. Mor­gens hat­te es ein­ein­halb Zen­ti­me­ter fein nach oben gespon­nen. Kri­stall­plätt­chen schwe­ben an der obe­ren Kan­te des Menis­kus in des­sen Näs­se trans­pa­rent. Wei­ter oben schnee­iger. Die Salz­schicht selbst wirkt aus­rei­chend nass. Ein Krat­zer im Glas hat kapil­lar ange­saugt an sei­nem Ende einen klei­nen Kri­stall­fleck aus­ge­bil­det.

Detail am Meniskus

Nun schon kein Anfang mehr. Es wirkt etwas auf­ge­lö­ster. Hin­ten, unschart im Bild, lap­pi­ge irgend­wie halt­lo­se Spit­zen­sticke­rei. Aber schnel­ler doch.

plus ein Tag, mehr Salz, weiter hoch
9.7.2024

Das Pho­to ist vom 9.7.2024. Nach vier, 4!, Wochen plus ein Tag. Es geht lang­sam vor­an. Ich darf nicht zuviel erwar­ten. Ich mach kei­nen Film, jeden Tag ein Pho­to. Das erfor­der­te ande­ren Auf­wand. Ich geh nur immer hin mit dem Han­dy. Schnapp­schuß. Der Unter­schied vorn im Glas zur Hin­ter­sei­te wird stär­ker. Den­dri­ti­sches Auf­wärts­flie­ßen.

Detail, Dendritisches Erscheinungsbild

Wirkt sehr naß und hat genug Raum, um sich die­se den­dri­ti­sche Aus­prä­gung zu geben. Saugt vom Menis­kus, erstaun­li­che Distanz. Näs­se­be­reich.

Dendritisches Erscheinungsbild
12.7.2024

Das Pho­to ist vom 12.7.2024. Wun­der­schö­ne Salz­blu­men. Qua­si­flo­ra. Wie Eis­blu­men. Aber kon­ti­nu­ier­li­che Akti­vi­tät, ein ästeln­des Hin­auf­ta­sten, all­ge­mei­ne Neu­gier, auch auf sich selbst, NaCl-Wass­ser.

Ich bemer­ke klei­ne Kri­stal­le auf dem Boden. (Fol­ge des anfangs unge­dul­dig nach­ge­schüt­te­ten Sal­zes? Oder Eigen­art die­ser Sal­zung?)

Im Ansatz flächiger dendritisch
Ein Tag später, Übergang in neues Erscheinunsbild

Oben, 13.7., unten ein Tag wei­ter, 14.7.2024

Die Dendriten verdichten sich, werden flächiger im Ansatz
13.7.2024

Das Pho­to ist vom 13.7.2024. Abge­se­hen von den Ver­zer­run­gen durch das Glas, wird die fei­ne Den­dri­tik flä­chi­ger, gedeck­te­re Adern. Alles strebt in die Brei­te und inein­an­der.

Das erste Detail­pho­to vom 13., das zwei­te vom 14.7.2024. Dort beginnt eine grund­sätz­li­che Ver­än­de­rung im Erschei­nungs­bild.

21.7.2024

Ich war­te dar­auf, daß die Zun­ge den Rand erreicht. Es geht nicht wirk­lich sicht­bar vor­an. Jedoch die Schü­be sind schön sicht­bar. Wirk­lich schön.

23.7.2024

Ich war­te dar­auf, daß die Zun­ge den Rand erreicht. Es geht nicht wirk­lich sicht­bar vor­an. Jedoch tut sich nicht etwas, schmal am Rand?

Bild aufsteigender Blütenschübe

24.7.2024

Ich war­te dar­auf, daß die Zun­ge den Rand erreicht. Es geht nicht wirk­lich … Was soll die­se selt­sa­me Auf­locke­rung in der Flä­che. Neu­es franst an den Rän­dern aus.

25.7.2024

Jetzt hat er ihn, den Rand. Berüh­rung von unten. Die Fran­sun­gen sind zu Salz­blät­tern gewor­den, die Struk­tur wie­der dicht. Gleich wird aus Berüh­rung Über­win­dung. Näch­ster Schritt:

So’n  Glas ist rund. Tja. Der näch­ste Schritt an ande­rer Stel­le. Schon etwas län­ger doku­men­tie­re ich den Menis­kus (das Mönd­chen), den Boden, die Wand aus ande­ren Rich­tun­gen, Zoom oder nicht. Wird bei Gele­gen­heit gezeigt. Ist auf­schluß­reich. Hier geht es über den Rand. Das ist etwas Beson­de­res. Die Salz­kru­ste setzt sich mit der Form ihrer näch­sten Umge­bung aus­ein­an­der. Schmie­gen. Begriff ist … …

30.7.2024

im Griff. Um-&Einge-schlossen. Hier wird’s begreif­bar. Aber auch die Knöt­chen­bil­dung in der Salz­schicht. Es ver­stärkt die Dicke, Defi­ni­ti­on ihrer Stär­ke. Nur klei­ne Knöt­chen?

Salzknötchen, Zeichen des Stärkestrebens, dichte Dicke

Stär­ke ungleich P0wer. Dimen­si­on, gau­ge. Dich­te.

Die Kru­ste zieht um und über den Rand. Noch expan­diert sie nicht über die Flä­che. hält sich rand­nah. Der Rand kon­so­li­diert sich. Es gibt eine klei­ne unbe­deck­te Regi­on mit schö­nen Salz­blu­men­fjor­den. Wer­den bald in der Über­deckung ver­schwin­den. Aber es nimmt sich Zeit.

Inter­es­sant, wie deut­lich sich seit­lich an der Glas­wand Hohl­räu­me zei­gen. Wie Bla­sen­spie­le unter Eis.

Der Rand selber wächst

1.8.2024

Sind sie luft- oder was­ser­ge­füllt? Ich glaub, es ist Luft. Fragt sich, wo fließt die Salz­la­ke? Wo? Es fließt durch das Salz

Das Überwuchern des Randes, Knötchenbildung

& kapil­la­re Spal­ten. Oder: Lösungs­gleich­ge­wicht, lösend/​ablagernd, sowohl flüs­sig als auch  fest.

Der Rand gewinnt an Fül­le. Knöt­chen sind Blu­men­kohl­den­dri­ten gewor­den. Der Grat trägt qua­si eine Schnee­last. Na ja, Ener­gie­bild, vor dem Fen­ster hei­ßer Som­mer, über 30°C. Das Licht in den Pho­tos zeigt das. Wär­me macht die Schicht dicker. Wenn drau­ßen Regen­wet­ter macht die Kru­ste Strecke. Ab nun deut­lich nach unten. Aber sehr lang­sam. Habe 6 Tage über­sprun­gen.

Die Fülle des Randes, nun langsam beim Absteigen

7.8.2024

Unten hell­tür­kis das Lake­re­ser­voir, an des­sen Grun­de sozu­sa­gen Kri­stall­ge­röll, auch wach­send, auch an Zahl.

Dieser Pelz, wie er an Fülle gewinnt.

Schö­ner Kreis, blas­ses Auge. Es wächst auf uns zu von uns weg, Innen­bahn Außen­bahn.

Kennt man die For­men vom 7.8. in denen vom 12.8. wie­der? Kann man das Wachs­tum en détail nach­ver­fol­gen? Nicht so ein­fach bis unmög­lich. Da wäre eine viel fei­ne­re Auf­lö­sung der Zeit­lu­pe nötig, wür­de aber vor allem die Tur­bu­lenz der Ver­än­de­run­gen offen­ba­ren. Der Pro­zess, in wel­chem Struk­tur­auf­lö­sung und ‑auf­bau sich die Waa­ge des Lösungs­gleich­ge­wich­tes wei­ter­rei­chen, ver­wischt durch­aus auch Spu­ren.

auf den Weg in die Tiefe ausstrahlen

12.8.2024

Doch in den Vor­wärts­schü­ben des Wachs­tums zei­gen sich schon auch Aus­brei­tungs­mu­ster.

die feinen Fältelungen in der dünnen voranstrebenden Schicht

Strah­len­för­mi­ge Wei­te­rungs­bah­nen in meh­re­ren Anläu­fen bogen­för­mig ange­legt. Das scheint vor­den­dri­tisch zu sein.

Ich fül­le gefühlt alle drei Tage Salz­la­ke nach. Dazu habe ich eine Spritz­fla­sche, um mit dem Druck der Hand gezielt die nöti­ge Men­ge so ein­zu­brin­gen, daß ich die wach­sen­de Schicht nicht beschä­di­ge. Ich zie­le immer in die Mit­te. Hier der Deckel, und ein Indiz für die Fähig­keit und den Impe­tus der Salz­lö­sung zu ent­kom­men. Der enge Abstand zwi­schen Steig­rohr und Muf­fe genügt um aus­zu­krie­chen.

Aus der Nachfüllflasche kriechendes Salz

etwa alle drei Tage wird auf­ge­füllt

Luft­druck treibt die Lake aus dem Rohr. Druck auf die wei­che Fla­sche. Die Muf­fe ist luft­dicht, aber nicht salz­la­ke­dicht.

Nachfüllflasche für die Salzungsanlage

li.: Kon­takt zum Lake­spie­gel fast ver­lo­ren, doch fast unsicht­ba­rer Näs­se­film;
re.: auf­ge­füllt für nor­ma­len Sog, Kru­ste reicht bis unter den Spie­gel.

Lakekontakt fast abgerissen
Nachgefüllt, Kontakt wieder da

Der Sal­zau­ßen­rand wird brei­ter und dicker. Es gab ne Zeit lang wenig Was­ser­nach­schub, was Ver­zö­ge­rung bedeu­tet. Mich stört für die Pho­tos inzwi­schen die Durch­licht­si­tua­ti­on. Das Reli­ef wird nicht deut­lich.

Salzrand wird breiter und dicker

15.8.2024

Fun­fact: Salz­sel­fie. Eine Über­le­gung, was es heißt, »hin­ter dem Glas«, topo­gra­phisch. Für mich, die Kame­ra.

Salz-Selfi

Lake oder Sole. Wie kom­me ich zu einem exak­te­ren Wort­ge­brauch? Muß ich? Es hat Ent­schei­dun­gen dahin­ter. Ich kom­me dar­auf zurück. Spon­tan: Lake wegen Meer­was­ser­la­chen am Strand und Salz­che­mie im Haus­halt.

Ich stell­te das Pho­to in Twit­ter ein:
»15.08.2024 — Was pas­siert da grad.«

Frank Stau­din­ger ant­wor­tet mit:
»Die Salz­blü­te geht auf Wan­der­schaft.🤗«

Und ver­an­laß­te mich fort­zu­set­zen: »Die erste Schwel­le ist über­wun­den. Gefäl­ledri­ve, aber immer noch lang­samst: Wan­der­schaft — wenn der Wan­der­stab neben dem Glas abge­legt, war­tend, dabei selbst über­blüht, über­wan­dert wür­de; … ist wahr­schein­lich. Was ein selt­sam hoch­ro­man­ti­sches Moment.«

Tat­säch­lich über­zieht die Lake­kru­ste begeg­nen­de Din­ge, so sie still­hal­ten. Auch mich sofern ding­lich. Über­wu­cher­ter Wan­de­rer.

Extrem­rei­se in die Fer­ne kon­zen­trier­ter Ruhe: Sama­dhi; Eins mit dem Gegen­stand.

Ich fül­le zum einen häu­fi­ger nach, zum andern sinkt mir doch der Was­ser­spie­gel, als wol­le ich – aber das pas­siert unwill­kür­lich – die Kru­ste trocken­hal­ten. Den­noch gewinnt sie an Flä­che. Ich mag die­se dün­nen, anschmie­gen­den, uner­heb­li­chen Pio­nier­mu­ster. Kra­gen­bö­gen, so zart. Sie berüh­ren mich, und ich ver­lie­re, wäh­rend ich schaue, mein Zeit­ge­fühl. Andau­ernd unmerk­lich aus­grei­fend jetzt.

Flächendeckung nimmt zu.

26.8.2024

Salz; aber mich der Umgebung vergewissern.

Saugt also nicht nur Lake, das Kru­sten­wachs­tum, son­dern auch Auf­merk­sam­keit. Etwas Not auf mei­ner Sei­te, da ver­ge­wis­se­re ich mich der Umge­bung und der Flucht­li­ni­en ihrer Per­spek­ti­ve. Es gibt ande­res als Salz und ande­res Salz.

Man muß wis­sen, daß im Salz­was­ser kein Salz ist.

Das Andau­ern der Zeit hat eige­ne Ryth­men. Ich habe bis zum Abend gewar­tet. Das Durch­licht ist durch Streif­licht ersetzt. Das Reli­ef der Salz­kru­ste wird sicht­bar. Wie die Zer­klüf­tung sich von den fla­chen Spit­zen her auf­baut. Sie wächst drei­di­men­sio­nal an. Auch zeigt sich der Abstand zwi­schen der inne­ren Salz­be­deckung und der äuße­ren. Die äuße­re wirft Schat­ten durchs Glas auf die inne­re. Ein mäch­tig expan­si­ves Vor­drin­gen.

Lichtwechsel, Oberfläche opakes Relief

26.8.2024

Lichtwechsel, Oberfläche opakes Relief, Detail

Glas ist von sei­ner Struk­tur her eine erstarr­te Flüs­sig­keit. Eigent­lich fließt es, wie auch die Luft, von der es umspült wird. Zwei der Umwelt­be­din­gun­gen, mit denen es die aus­ufern­de Lake­be­we­gung zu tun hat. Mög­lich­kei­ten, denen sich ihre Form­ent­wick­lung anpaßt.

Ich fül­le inzwi­schen öfters und mehr Lake nach. Mit wach­sen­der Ober­flä­che zieht immer mehr Was­ser durch. Ich wun­der mich, daß die 3D-Koral­len so trocken aus­se­hen. Da sie wach­sen, Broc­co­li-Den­dri­ten und Pio­nier­krä­gen, müs­sen sie Lake sein, naß, Flüs­sig­keit aus dem Lösungs­gleich­ge­wicht und ein effek­ti­ver Ver­dun­ster von H2O. Indem wird Koch­salz zurück­ge­las­sen, d.h. es kri­stal­li­siert aus Na+ & Cl- Ionen.

Verdunster, Broccolidendriten

1.9.2024

Verdunster, Broccolidendriten (Detail)
Ich stel­le mir vor, die Lake, die unten im Glas ein Geschwirr von Na+, Cl- Ionen umzit­tert von Was­ser­mo­le­kü­len ist, bleibt das auch auf dem Weg aus dem Glas. Jede Abla­ge­rung wird im Prin­zip immer wie­der gelöst. Unru­he­flu­id.

4.9.2024. -

Das Abwärts­krie­chen sta­gniert. Wo bleibt die Unru­he im Flu­id? Die vor­an­drän­gen­den Kri­stal­le?

Wie eine Dru­se, füllt sich das War­ten.

Aber kri­stal­li­siert es wirk­lich? Ich den­ke, daß, was trocken erscheint, könn­te tat­säch­lich naß sein. Durch­drun­gen von sogar mehr als einer Rest­feuch­te, könn­te die Sal­zung hydro­phil einen Stand von Flüs­sig­keit hal­ten, der statt in einer ech­ten Kri­stall­bil­dung zu enden, Lake Lake blei­ben läßt.

Es fällt doch die amor­phe Form der wei­ßen Kru­sten­bil­dung auf. Die ist anders als die trans­pa­ren­ten Kri­stal­le am Boden des Gla­ses, wo sich in Ruhe die typi­schen NaCl-Kuben bil­den dür­fen, aber auch nicht tuen. Die Kru­ste in Bewe­gung behält sozu­sa­gen eine kri­stal­li­ne Unfer­tig­keit bei. Ultra­lang­sa­me Gischt einer ultra­lang­sa­men Bewe­gung.

Ich weiß, die Geo­lo­gie oder Edel­stein­kun­de kennt noch ganz ande­re Lang­sam­kei­ten — das Koch­salz bleibt sozu­sa­gen der Kul­tur­fol­ger unter den Mine­ra­li­en und auch in Sachen Beob­acht­bar­keit nah am Men­schen. Geduld reicht als unse­re Zeit­lu­pe aus — und sogar als kon­tem­pla­ti­ve Erfah­rung an sich, Selbst­salz

ewiglang­sam —

Ich las­se mich leicht ablen­ken. Ein­fa­ches Beschrei­ben ver­liert mich. Selt­sa­mes Gefühl mit dem Beschrei­ben immer noch zu wenig gesagt zu haben. Zumal sich nichts tut. Zugleich weiß ich, daß ich auf die­se Wei­se die »Es ist, was es ist.« Prä­senz ver­ra­te. Ich frame wild drauf los, ohne Hoff­nung, auf umfas­sen­de­re Wahr­hei­ten. Sogar dann, wenn ich auf wis­sen­schaft­li­che Erzäh­lun­gen auf­sprin­ge. Man könn­te mei­nen, die­se erklär­ten irgend­et­was.

Gera­de vor ein paar Tagen hat­te ich eine mei­ner klei­nen Talk­per­for­man­ces, anläß­lich einer Dis­fu-Lesung (The­ma: Dop­pelt oder Nichts) im Samowar/​Hintergebäude. (s. Kon­zept­no­tiz hier.) Aus der Logik der Situa­ti­on hät­te ich auch ein, zwei bren­nen­de Ker­zen vor das Publi­kum stel­len kön­nen. Es war um 100m Sprint Welt­re­kor­de gegan­gen.

Ich ent­schied mich aber für zwei Glas küh­les Was­ser, weni­ger also: weni­ger Ener­gie, weni­ger Ereig­nis, weni­ger Auf­zeh­ren, weni­ger Ruß und so, weni­ger solid, zwei­fach ein­fa­ches So-Sein, dem Ange­schau­t­wer­den erge­ben prä­sent.

Ich begann mit der Kon­tem­pla­ti­on der bei­den Glä­ser, schwei­ge, schaue, blei­be kon­zen­triert.

Ich ver­gaß die Zeit. Ohne Zeit­druck Zeit ver­dun­stend. Mür­bend. Das hät­te Tage, Wochen so gehen kön­nen. Expan­die­ren­de Gegen­wär­tig­keit hat am Ran­de ein Moment Zukunft.

So ging es die ein oder ande­re Minu­te. Dann habe ich es nicht mehr aus­ge­hal­ten, schon gar nicht vor Publi­kum. Es wür­de, nur nicht jetzt, sich etwas erge­ben: und ich star­te­te die »Salz­la­ke und ihre intrin­si­sche Expan­si­vi­tät« Rah­men­er­zäh­lung. Ande­re Deu­tun­gen waren damit wohl futsch. Wäh­rend die bei­den Glä­ser blie­ben,

Hier und Jetzt – Performance Lüneburg 30.8.2024

Per­for­mance »Hier und Jetzt«; Link auf You­Tube

wie sie waren, füll­te sich ihre, unse­re Situa­ti­on mit Erwar­tung. Man wür­de schon sehen, bei genü­gend Zeit, Geduld, Pfle­ge der Sal­zung … Am Ende aber wäre doch die Gegen­wär­tig­keit der halb­ge­füll­ten Glä­ser als moment­sta­bi­le Prä­senz beharr­lich zuge­gen.

Damit über­ließ ich die Situa­ti­on den Leu­ten, nicht ohne zur Nach­ah­mung auf­zu­for­dern. War­um nicht die eige­ne Sal­zungs­an­la­ge mit zwei Glä­sern star­ten.

Beglei­ten, so wie es hier mit die­sem einen pas­siert und mir und jedem Leser. Aber dazu —

8.6.2024 nun 9.9.2024

Der Sta­tus nach drei Mona­ten. Drei Mona­te Geduld und Küm­mern. Ich fül­le täg­lich nach. Die Sal­zung ver­dun­stet Men­gen an Was­ser, drängt in den Raum, strebt auch über die fla­che Wand, abwärts und nähert sich dem Was­ser­spie­gel. Sie prägt ein deut­li­ches und auf­schluß­rei­ches Reli­ef kno­ti­ger Den­dri­ten aus. Wie­so boten sich an genau die­sen Stel­len Gele­gen­hei­ten in die­ser Wei­se hin­aus­zu­wach­sen?

9.9.2024, Status nach drei Monaten

9.9.2024

9.9.2024, Stand nach drei Monaten, Detail

Und wie­so an ande­ren Stel­len genau nicht? Sel­be Fra­ge in Sachen Flä­chen­er­o­be­rung. Äuße­re Ein­flüs­se, aber auch wie ver­lau­fen die Strö­me vom Menis­kus, wo die Kru­ste ein­taucht, bis zu den zar­ten bogen­för­mi­gen Vor­stö­ßen. Wie kommt es zu den blan­ken Buch­ten und wie wer­den die end­lich geschlos­sen?

9.9. bis 15.10.2024

Von damals bis heu­te, war ich ver­reist, krank, hef­tig krank, wie­der, rekon­va­les­zent, ver­reist, See­luft, und neh­me die Pfle­ge des Stan­dard­gla­ses Nr. 2 wie­der auf. Wäh­rend ich unter­wegs war, trock­ne­te der Kon­takt zwi­schen Kru­ste und Lake ein. Der Pro­zess stopp­te, mut­maß­lich, war ich zuhau­se, lag im Bett, dann ging ich zum Glas, wie zum Blu­men­gie­ßen. Ein­mal am Tag, erin­ner­te ich mich und füll­te Lake nach. Etwas acht­los und nicht wirk­lich neu­gie­rig. Die Kru­ste kam nicht vor­an. Ich woll­te nur Wär­me, Feder­bett. Den­noch kam es zu unter­schied­li­chen Pho­to­gra­phien, so daß ich nun, wie­der fit, nach­ho­len kann. So sehe ich mich als ein refle­xi­ves Moment der gesam­ten Anla­ge. So weit, so banal. Der Salz­gärt­ner fehl­te der Sache. Die Sache aber blieb, und hat­te indem ihr spe­zi­el­les Augen­merk.

10.09.2024

Licht­spie­le. Video, im Ord­ner hän­gen geblie­ben. So zart. Und es bezeich­net die beson­de­re Situa­ti­on der Sal­zung. Drau­ßen vor dem Fen­ster tosen Herbs­st­licht und ‑wind durch die Bäu­me am Haus. Lich­tern­de Schat­ten und die Fra­ge, wie die­se die Kri­stall­wan­de­run­gen beein­flus­sen mögen. Mich jeden­falls moti­vie­ren sie, wei­ter­zu­ma­chen im Reich der Gespin­ste. Auch soll­te ich mal eine Über­sichts­auf­nah­me anfer­ti­gen, damit die gan­ze Schlicht­heit der Anla­ge augen­fäl­lig wird. Jetzt, wo ich dabei bin, nach der lan­gen Pau­se mein Enga­ge­ment für dies Salz­glas mit stil­ler Lei­den­schaft wie­der auf­zu­neh­men. Hier also sind wir zwi­schen Bana­li­tät und Zau­ber:

10.09.2024

Licht­spie­le. Ein zwei­tes Video. Weni­ger zart, dafür län­ger. Aber auch die­ses bezeich­net die beson­de­re Situa­ti­on der Sal­zung. Drau­ßen vor dem Fen­ster tosen Herbs­st­licht und ‑wind durch die Bäu­me am Haus. Lich­tern­de Schat­ten und die Fra­ge, wie die­se die Kri­stall­wan­de­run­gen beein­flus­sen mögen. Mich jeden­falls moti­vie­ren sie, wei­ter­zu­ma­chen im Reich der Gespin­ste. Auch soll­te ich mal eine Über­sichts­auf­nah­me anfer­ti­gen, damit die gan­ze Schlicht­heit der Anla­ge augen­fäl­lig wird. Jetzt, wo ich dabei bin, mein Enga­ge­ment für dies Salz­glas mit stil­ler Lei­den­schaft wie­der auf­zu­neh­men. Hier also sind wir zwi­schen Bana­li­tät und Zau­ber:

Arbeitstisch vor dem Fenster

Das Pho­to auch vom 10.9., aber so bie­tet es sich dar. Unte­re Zei­le: Das Zen­trum der­zeit ist das vor drei Mona­ten als Sal­zungs­an­la­ge auf­ge­stell­te Trink­glas. Im ter­ra­cot­ta­far­be­nen Kar­ton ein Glas, wo sich eine Sal­zung selt­sam benom­men hat (Rest­feuch­tig­keit zudem ins Papier gekro­chen), rechts davon eine Lieb­lings­scha­le von mir zer­bro­chen, aber ich hat­te die Ener­gie noch nicht, mich ans Kle­ben zu machen. Wei­ter rechts, mei­ne Salz-Vor­rä­te. Bis­her habe ich noch nicht mal eine sol­che Packung zur Hälf­te gebraucht. Obe­re Zei­le: Ganz links ver­bor­gen, ein Behäl­ter mit Fen­ster­bank­in­sek­ten, die innen vor dem Fen­ster tot auf­ge­fun­den wur­den, und nun auf Salz trocken gehal­ten wer­den. Dann kommt die­ser Bud­dha­kopf aus Beton, an dem ein Ori­ga­mi-Kra­nich saugt (ich hat­te in mei­nen Wer­ken ver­schie­dent­lich auf Bud­da­fi­gu­ren bezug genom­men, und so waren die­se zwei Beton­köp­fe als Geschen­ke auf mich gekom­men); dann wei­ter links drei Stück Bahn­damm­schot­ter, wegen ihrer Fähig­keit resi­li­en­te Schüt­tun­gen zu bil­den, Lam­pen­fuß, die Lam­pe benut­ze ich nicht, Salz­was­ser gegerb­te Stei­ne vom Strand, Zei­chen­ma­te­ri­al, dahin­ter eine Lamel­len-Jalou­sie, noch nicht ange­bracht. Nach hin­ten weg, äuße­re Zei­le: die Bäu­me des Gar­tens sind eng an die Fen­ster her­an­ge­wach­sen, es ist wie im Baum­haus, Licht, Wind und Feuch­tig­keit spie­len ihre sym­pa­thi­schen Spie­le. Bis jetzt war das Fen­ster auch durch­gän­gig auf Klapp geöff­net. Son­nen­wär­me oft nicht zu knapp auf der mir abge­wand­ten Sei­te — inzwi­schen wächst aber die vor­de­re Sei­te schnel­ler, wenn man das bei der Lang­sam­keit sagen darf. Öfters haben wir nun Hei­zungs­luft. Hier nach vorn: hat es die Kom­ple­xi­tät des Ate­liers und mei­ner Anwe­sen­heit.

»Salz­wol­ken­bil­dung«. Zeit ging hin. End­los lang­sam kroch die Kru­ste das Glas hin­ab Rich­tung Was­ser­spie­gel. Die Abla­ge­run­gen gin­gen in den Wulst oben am Glas­rand. Mög­lich, daß sich die Öff­nung schließt und das Nach­fül­len von Lake stoppt. Immer­hin ist der Was­ser­spie­gel nun erreicht – dabei ist die Docht­ef­fekt-Kata­stro­phe bis­her aus­ge­blie­ben. Das Wech­sel­spiel zwi­schen Lake­auf­nah­me und Abla­ge­rung

Es bildet sich ein "Wolkenring" am Glasrand.

31.10.2024

seit dem 16.10. sieht der verdickte Rand deutlich, wie ein "Wolkenring" aus

16.10.2024
die Ring­wol­ke wur­de sinn­fäl­lig.

am Rand, bzw. zwi­schen Kru­ste bei Was­ser­kon­tak­t/-ver­lust innen scheint ein plötz­li­ches Absau­gen zu ver­hin­dern. Ich habe den­noch den grö­ße­ren Tel­ler unter­ge­stellt.

Aktu­el­ler, heu­ti­ger Stand der Sal­zung. Die »Wol­ke« prägt sich aus. Ich wer­de noch Pho­tos dazu ein­fü­gen. Vor­her aber möch­te ich eine selt­sam kon­ser­va­ti­ve Ent­wick­lung her­aus­stel­len, näm­lich die der Bucht, die sich in der Mit­te des Bil­des beharr­lich hält. Dazu fol­gen eini­ge Beleg­bil­der direkt im näch­sten Abschnitt. Anders, als erwar­tet hat sich die­se Form nicht zügig geschlos­sen. Ich hät­te gedacht, sie wür­de schnell

Aktueller Stand der Salzung, heute 4.11.2024

04.11..2024

qua­si zuge­spült – habe ich doch die Vor­stel­lung, daß die Sal­zung ein Flie­ßen in kapil­la­ren Strö­mun­gen ist und auf Zusam­men­fluß aus sein müß­te. Aber nein. Bis in klein­ste Aus­for­mun­gen hin­ein ist die Bucht über lang sta­bil. Und immer noch nicht geschlos­sen.