Hinterhof

nachgestellt 3.2024

Beton­sockel. Jung­ar­bei­ter­wohn­heim Fron­hau­sen.

Groß­kü­che im Sou­ter­rain, es gab eine Beton­stu­fe, einen Sockel, grad so hoch, daß wir Kin­der gut dar­auf sit­zen konn­ten, breit genug, um dort auch zu spie­len und unse­re Schät­ze drauf aus­zu­brei­ten, die Quar­tett­kar­ten, die Gor­gy­Toy Autos. Dann gings senk­recht die Rah­men­hö­he der Küchen­fen­ster run­ter, ein Schacht die Fen­ster­front lang. Die in der Küche moch­ten uns Kin­der gern dort spie­len sehen; gra­de­zu ver­narrt war die Che­fin, Frau Wil­ma. Sie ver­sorg­te uns mit Zucker­bro­ten. Da wir von oben durch die Fen­ster sehen konn­ten, spe­ku­lier­ten wir schon immer und hin­gen mit den Köp­fen über dem Schacht. Tat­säch­lich ging das Ritu­al schon los, ein gro­ßer Tel­ler wurd hin­ge­stellt, flach eine Schicht Zucker, Schei­be Brot mit But­ter, und dann klapp­te sie die eine und die ande­re Schei­be mit der But­ter nach unten auf die Zucker­schicht. Das war’s. Das Fen­ster ging auf und die Bro­te wur­den hoch­ge­reicht. Das süße Knir­schen zwi­schen den Zäh­nen. Wir alle wuß­ten, daß das ver­bo­ten war. Unse­re Mut­ter woll­te das nicht. Wir durf­ten die Zucker­din­ger nicht anneh­men. Es hat­te Aus­ein­an­der­set­zun­gen gege­ben, Mut­ter gegen Frau Wil­ma. Schließ­lich lei­te­ten die Eltern das Heim.

Aber die Ver­lockung bei­der­seits, Frau Wil­ma und wir konn­ten nicht anders. Tat­säch­lich also hat­te es einen Zucker­brot­un­ter­grund, die gehei­me Tria­de, Wil­ma, mein Bru­der und ich. Waren Nach­bars­kin­der da oder guck­te die Mut­ter, blieb das Fen­ster zu.

Die Gor­gy Toys waren unse­re Schät­ze. Schwe­res Metall, beweg­li­che Tei­le, und roll­ten gut. Eini­ge waren vom Dau­er­ge­brauch schon eini­ger­ma­ßen abge­schabt. Die Nach­bars­kin­der waren da und irgend­wie ergab es sich, daß es zum Tau­schen kam. Auch die Nach­barn hat­ten so Autos. Und dann lag auf­ein­mal die­se gel­be Post­kut­sche auf dem Beton und wur­de Teil des all­ge­mei­nen Feil­schens. Ein Teil aus dem Kau­gum­mi­au­to­ma­ten, von unten offen, innen hohl, wenn auch sie vier Pfer­de hat­te und den Kut­scher mit Peit­sche. Mein Bru­der gab ein Gor­gy Toy und bekam die Kut­sche. Ich war tief geschockt. So ein schlech­ter Tausch. Schwer gegen leicht. Teu­er gegen Bil­lig­pla­stik. Mir war sozu­sa­gen weiß vor Augen. Ich skan­da­li­sier­te das und weiß noch, daß Vater unse­re »Geschäf­te« rück­gän­gig mach­te. Die Post­kut­sche ver­schwand. — Heu­te über­rascht mich die­se Erin­ne­rung. Ich hät­te ver­mu­tet, daß ich die Träu­mer­per­spek­ti­ve gewählt hät­te, denn heu­te ist die Lage genau umge­kehrt. Ich, sozu­sa­gen unter Geschäfts­pho­bie, ret­te die Unbe­fan­gen­heit mei­ner Ent­wür­fe, das Leuch­ten der Ideen, welch für mich Loh­nen­des als eine Art Aura umgibt, wäh­rend mein Bru­der sich fit­ter durch die All­tags­deals, Arbeits­welt, Haus, Ebay, Cam­ping­rei­sen bewegt.

Alles gut zwi­schen uns, wir ver­ste­hen uns.