Das kleine rote Buch
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Aufforderung zur Bearbeitung. Object trouvé, premade, unreadymade, der Weiterarbeit zur Verfügung, für’s Handanlegen, Neuansetzen, … also kurz: Minimalvorgaben — Das »Kleine rote Buch« kursiert. Läuft um.
Der Kurs von Birgit Matter zu mir, Andreas Peschka, zu Camilla Howalt, zu Dirk Schulte, Sandra Hilleckes und Jens Warnecke (Mondmann), gerade zurück von Irmgard Gottschlich; und ist nun schon im Abflug zu einer weiteren Bearbeitung. Das geht nicht Schlag auf Schlag, es kam auch zu begleitenden Vereinbarungen (z.B. über die Bereitschaft zu Livestream-Besuchen im Kunsttalk, die Art der Weitergabe, o.ä,) und die Aufenthalte dürfen tragfähig träge passieren.
Das Päckchen mit dem »Kleinen roten Buch« wird von einer Einladung begleitet, die einen weiten Rahmen für den Umgang damit und die Möglichkeiten der Arbeit beschreibt. Wichtig: wir legen tatsächlich nichts fest. Wir sind außerdem geduldig was die benötigten Zeiträume angeht und an Perfektion lieben wir, wie man ihr entkommt. Virtuos. Alles spielt sich zwischen dem Empfänger und dem »Kleinen roten Buch« ab.
Hier als Beispiel unsere Einladung an Camilla Howalt:
Was man vielleicht bemerkt, das Unfertige dieser Seite.Tatsächlich wird hier beständig weitergeschrieben, gestaltet, verändert. Meist schreibe ich direkt ins/im www. Das Buch selbst ist natürlich hauptsächlich jenes dinglich, analog, konkret vorliegende Ding (unter Dingen, in Maulwurfshaut eingeschlagen), es selbst & kontaktfähig; Materialsreiz.
An Camilla Howalt, [Lüneburg. 10.4.2022
Liebe Camilla,
Birgit Matter hat schon angekündigt, daß ich mich melden würde. So nun. Es geht um das rote (Notiz-)Buch, das bei turbulenter Gelegenheit eines
turbulenten Projektes entstanden ist, und dessen Lebendigkeit wir (be-) fördern möchten, weitergeben, verändern lassen, entwickeln, füllen. So hat Birgit dann ins Netz gefragt. Es haben sich fünf ernsthafte Interessenten gemeldet und Du bist die erste, an die ich es nun schicken möchte.
Das Buch liegt in einem Nest von unterschiedlichen Dingen, Relikten, Funden, Konzeptgraphiken, na Du wirst sehn. Das alles gehört zum Buch und zum Projekt dazu und steht ebenfalls zur Verfügung. Wir finden, daß wir es nicht mit Programmatik eindecken oder an Regeln binden wollen. Es ist, was es ist: und eben eine Einladung.
Die vielleicht einzige »Regel« ist, daß es nicht zerstört oder anders verloren gehen soll.
Natürlich gibt es auch weitere Informationen — dazu unbefangen Birgit oder mich fragen, oder/und unten dann ein paar Links. Unter den Youtube Links kannst Du sehen, daß das Buch immer wieder Gegenstand im Kunsttalk wird. Es ist so auch möglich, daß Du von wegen des Buches (und auch sonst immer und gern) per Zoom dort auftauchen kannst.
Ich grüße herzlich, auch im Namen von Birgit, Andreas
Ich bitte Dich, mir per direct message Twitter @pymwater, oder an dichteschwankung@geopoet.de die Adresse zu schicken, an die ich Dir unser »Kleines rotes Buch« Päckchen senden kann. Meine Adresse zum zurückschicken ist:
Andreas Peschka·geopoet
Soltauer Straße 27
21335 Lüneburg
evtl. aber geht’s direkt an die nächsten Adresse weiter,
man wird sehn
Es ist wohl der Last an Bildbearbeitungen geschuldet, daß die Doku-Bildserien unten in Rückstand geraten sind. Es hat schon viel Bild und soll noch mehr werden. Ich bin dabei, mich zu bessern. ddd ap
Natürlich so, oder so ähnlich oder so ähnlich …
Die Ankündigung auf weitergehende Information, und man könne mit Birgit Matter oder mir Kontakt aufnehmen, wenn noch Fragen da sind — jaa, ist so.
Es gibt die Möglichkeit an Birgit Matter oder mich zurück zu senden, oder schlicht weiter zum nächsten Empfänger. Je nachdem.
Da diese Seite sich insgesamt genauer mit dem »Kleinen roten Buch« befaßt, wird hier sozusagen ausschweifend Material zusammengetragen. Das soll nicht heißen [ach, laßt den Dokukram beiseite und guckt ihn vielleicht im Nachschlag mal an !], daß damit der, DER rahmen gesetzt würde, in den einzupassen wäre. Nein.
Nein. Die Sache bleibt frei. — Und damit in medias res.
Bevor ich das »Kleine rote Buch« mitsamt Nest in die Post gab, habe ich den Inhalt auf dem Wohnzimmerteppich ausgebreitet, photographiert und ein Video gedreht.
Anfangs gab es das Watzlawick Festival, dort Birgits Erdbeerhochzeit-Performance (von Birgit initiiert, von Irmgard Gottschlich inspiriert, von Corona massiv eingeschränkt), gab es einen Rausch an Produktivität bei Birgit, das rote Buch von Birgit, … und kam als Päckchen bei mir an — und lag, und wurd aus Gründen verdrängt*. Was nicht so bleiben konnte, was dann im Wanderprojekt, rotes Buch, aufgehoben wurde. [Ich muß das mit Birgit noch mal gemeinsam durchgehen s.u., auf Mikrorichtigkeit achten, Anfänge und Intentionen klären, Wörter … s.u.]
Hier jedenfalls von jenem ersten Screening die Galerie der Aufnahmen und das Video.
*) Nach der überwältigenden Intensität der Arbeit am/für’s Watzlawick-Festival fühlte ich mich ausgezehrt, und die geopPattern war ich leid. Ich fühlte einen Sog die Patternforschung auszubauen, ja, das könnte mal wieder anfangen, aber nicht jetzt. Tatsächlich war das Päckchen für mich wegen seiner Patternfracht einerseits abstoßend, zugleich aber wegen des roten Moleskin-Kalenders Rast und neue Möglichkeit. Ausruhen, einen Schatz im Arm … bei Gelegenheit abzugeben — ein Inframince, danichda.
Pause
mit @matze2001_arti
DECISIONS TO MAKE:
The 📕 Project
Camilla Howalt auf Instagram zu dem Projekt:
»Playing with the idea of #Chance, not the first in history, not the last.
This was a preparation for an #ArtProject I participated in, #DasKleineRoteBuch, which travels to different artists, who then add/extract/collect/collage/divide/draw/touch/paint/connect those dots/elements that might inspire.
It was confusing, and fun, and inspiring in a kind of lateral way, made me think about beauty in another way, than just visually. In the way that we handle the incomprehensible, that which is
Am Anfang, als das Kleine Rote Buch und sein Nest aus vielerlei Gegenständen losgeschickt wurden, befanden sich diese, vom Postweg geschüttelt, in einem wilden Durcheinander bunter Kontaktmöglichkeiten. Als das Paket von Camilla Howalt zurückkam, waren alle Dinge in Gruppen zusammengefaßt, geordnet und in schwarzes Seidenpapier gehüllt. Ein Hauch von Luxus nach Art japanischer Aufwertungsverpackungen wehte einen beim Auspacken an. Alle Dinge waren der Betrachtung und dem Verkehr untereinander scheinbar entzogen, geheimnisvoll und nächtlich. Im groben Karton gab es die Intimiät einer zweiten Verborgenheit.
Triggerwarnung. Ich schreibe hier meine subjektive Erfahrung und Deutung auf. Sie ist voll von meinen Vorlieben (z.B. springe ich leicht auf Orakelhaftes an). Der Cootie Catcher setzt mich auf Gleise, die mir liegen. Kann man auch anders sehen, sich distanzieren, genau, wie man den Cootie Catcher auch nicht nutzen kann. (Aber solch muß eigentlich nicht extra betont werden …
not recognisable, in my case, as beauty, with feelings and thoughst, with compassion or not?
I definitely started out without, but as I looked/read/attempted to connect, seeing the thread of the box travelling from person to person, I appreciated the aesthetic of the changing journey more.
If this travel piece end up as a story, a sculptural story, seen from the perspective of the box, I think it could be a very beautiful piece. Each time a new person opens it, the invisible eyes of the box looks up, and has as yet another relation, in a work space, otherwise unknown, to us.«
#TheRedBookProject #TheCootieCatcher
#CamillaHowalt #CamillaHowaltArt
Zunächst schwankte ich zwischen Ehrfurcht und Reaktanz. Die Kostbarkeit, und aber daß zugleich meine Annäherung an die Gegenstände des Paketes gehemmt war, ein Ärgerimpuls – hineinwühlen und aufreißen – aber es ist dafür nun mal schwarzes Seidenpapier zu fein; dann fand ich den Cootie Catcher. Ich war endgültig besänftigt. Ein Kinderorakel, sehr erwachsen sorgfältig gefaltet und bewußt eingesetzt. Himmel und Hölle heißt das in Deutsch, oder auch Salz und Pfeffer. Es teilt bei Aufgabenspielen den Spielern die Herausforderungen zu, die ihre Spielschicksale bestimmen sollen. Ein zufallsbestimmtes Regelwerk. Im bunten Nest des Kleinen Roten Buches wurde mithin Chaos durch eine Orakelmechanik gezähmt.
Orakel brauchen die Trennung der Wirklichkeit in eine hiesige und die Anderwelt – im Nest inszeniert, indem A- das Eingehüllte, als opakes Innen, aus der spontanen Verfügbarkeit genommen ist. Unter nächtlicher Seide bilden die Dinge Geheimgesellschaften, Entdecken ist Aufdecken! Neugier versus Vorsicht. Achtung!
Nun soll ein Ritual, mögliche Annäherungen regeln. Im beiliegenden Manual, »Each number refer to an black wrapped package. Pick package and follow instructions.«. Der Cootie Teller liefert Anweisungen für den, der das Seidenpapier lösen möchte. Bedingungen. Zwischen Diesseits und Jenseits ist ein Pythiapparat geschaltet. Die Zufälligkeiten des einst wilden, allgemeinen Durcheinanders sind aufgeteilt, strukturiert und haben eine Zugangskontrolle. Eine gewisse Zufälligkeit ist beibehalten.
Es wird das Schicksal von drüben her gesponnen. Von dort laufen die Fäden her, wirr musterlos, hier werden sie interpretiert. Was verständlich ist, kommt nicht von der Anderen Seite. Unser Verstehen verantworten wir allein. Der Praxistest wird zeigen, ob wir bestraft werden. Wir haben einige Anweisungen, zu tun, womit wir bislang gut gefahren sind. Kunst hielt sich meist nah der Grenze.
Im Paket, im Nest, spielt eine Inszenierung, »Dinglein an sich«. Hol sie hervor und zieh sie in ein Lied, ein Gedicht, eine Erzählung, ein Profil, werfe … also wieder ins Chaos. Im Paket kannst Du die Welt von Außen betrachten. Verhüllt. Du bist Herr der Nachtseite. Zieh die Seide zur Seite und spiele Evolution.
Laß entstehen. Es fielen nicht Würfel, sondern Dinglinge. Schöpfungshelferli. Ihre Zufälle öffnen das Spiel.
B- Es hatte auch das Buch neuerdings ein internes Anderes. Eine kräftige Lage Seiten war mit rotem Faden zusammengenäht und hätte nur gewaltsam geöffnet werden können. Ein Buch der Verweigerung. Hatte nicht die widerständige Heirat einer indischen Frau mit einem Buch nach dem Watzlawickfestival die Reise des Kleinen Roten Buches initiiert? Ein verheiratetes Buch ist partiell der allgemeinen Lektüre entzogen, auch wenn der Nähfaden rot durch und weiterlaufen mag.
Unbestimmte Schlaufenschriften schreiben zwischen den Seiten und über sie hinaus Aufforderungen in Rot.
Natürlich Dichtungen der Sehnsucht nach der Entgrenzung Öffnungsschnitt.
Eines, allein im schwarzen Päckchen, rot und besonders, die Kladde willkürlicher Eintragungen: Das Kleine Rote Buch zeigt seine Zufügungen vor. Es lädt ein, weiter gefüllt zu werden. Des ganzen Paketes, des ganzen Projektes reisende Verfügbarkeit hat grundsätzlich im Tagebuch sein Muster. Die Interaktionsbereitschaft der Dinge als Plastik unterwegs — aber auch hier der Widerspruch. Gesperrte Seiten. Diese sind seit Camilla Howalts heilig. Es gibt Veränderungstabus. Es gibt die Ordmung der Rituale.
Es gibt menschengemachte Übergänge zwischen der Anderwelt göttlich unendlicher Möglichkeitsspiele und den Veränderungsbedürfnissen innerweltlicher Phantasien, und darin das Tu’s_nicht der Regeln.
Fingerlaschen,
»to operate the fortune teller«
Entscheidungsseite,
das Innere: & unter den
Zahlen konkrete
Anweisungen
Cootie Catcher Zettel (Gebrauchsanweisung)
1. Slide your fingers underneath the squares to operate the fortune teller. Ask a player to choose a colour and spell out the number of letters:
R_E_D = 1−2−3 Flaps
2. Then pick a number and count it out. As they do so, move your fingers with each letter and number called out.
3. Now, have them pick another number to reveal their fortune.
4. Lift the flap for the number they picked. Read their forune / question / action out loud.
PS Each number refer to an black wrapped package. Pick package and follow instructions.
1
From elements:
WRITE A POEM
2
From elements:
ADD MUSIC & SHARE ON #TWITTER
3
From elements:
MAKE A PORTRAIT WITH ELEMENTS & SHARE ON #TWITTER
4
From elements:
FIND ANd CREATE SOMETHING WITH 8 + 9 &SHARE ON #
5
From elements:
WRITE A STORY
6
From elements:
DRAW OR PAINT WHAT YOU SEE
7
From elements:
SOW ELEMENTS TOGETHER
8
From elements:
PHOTOGRAPH AND SHARE ON #TWITTER
Die Anweisung Nr. 7,
»SOW ELEMENTS TOGETHER«,
kann als Aufforderung angesehen werden, für all die kleinen Dinge die schwarzen Séparées aufzulösen und den ersten Zustand allgemeiner Zugänglichkeit und Verquickung wiederherzustellen. Das gegenseitige Durcheinander, wo alles durch ein ander da ist, ist in Camillas Orakelversion aufgehoben. Das Ursprüngliche ist weiter möglich, gehobene Aufgabenspiele aufgrund von Spielereingriffen, bis hin zu den Anforderungen, welche Empfänger des Kleinen Roten Buches als angetragen empfinden mögen, Metaebenen … alles weiterhin Teil des Chaos.
Ob es nun Orakelartiges enthält oder nicht.
@RilkesG, Rilkes Gärtner. Herbarium.
Im Kleinen Roten Buch, Dirks Einträge.
Jeder Beitrag ist signiert, Einzelwerke also, einzeln beglaubigt, somit getrennt ins Buch eingebracht. Dennoch eine Sammlung, dennoch lebendiger, als schlicht Gepresstes, dennoch ein Strauß, gleichsam Blumensprache in Wachstumsbereitschaft, Pflanzen aus Rilkes Garten vielleicht könnten auch im Buch gedeien.
Herbarium als Garten, das Buch so.
Was hat es da mit Rilkes Gärtnerei? Pflanzungen von Dinggedichten. Rilkes lyrisches Ich wandelt sich Dingen an, und spricht stellvertretend als ob diese selber sprächen. Dinge, als ob die dichten. Insgesamt erscheint eine Gartenanlage, zum lyrischen Ich eine lyrische Umgebung, Gartenpoesie. Rilke-Bücher entfalten Sprachlandschaften. Was braucht es da noch einen Gärtner? In der Dichtung ist ja alles vom Autor bestens bestellt. Wie kommt dennoch der Gärtner zu seinem Job.
Ein lyrisches Ich, hat man nicht, man läßt es los. Es ist die virtuelle Erscheinung des Autors im Gedicht. Der Autor insofern er im Text als Möglichkeitsraum erscheint. Das Areal einer Phantasie, in der sich Leser und Verfasser treffen. Hier ist das die Imagination eines hängenden Gartens. Ein Gärtner ist nicht drin.
[Obwohl ich fand einen in »Allerseelen«, Friedhof, »… und kehrt zum Eck der Glaubenslosen | die alten welken Blumen hin.]
Weil im Dinggedicht die Dinge Worte bleiben. Weil dem lyrischen Ich das »Als Ob« die Poesie abdichtet und die Dinge selbst hindert aufzutauchen. Weil deren Potenz autopoietischer Interaktion nicht zum Zuge kommt, wenn Dinge nicht anwesend sein können. Vor der Kommunikation hat es schon Interaktion. Es braucht den Gärtner. Er ist tatsächlich involviert, Teil davon, Bastler, Ding unter Dingen auch, Spieler unter Spielern. Sogar liefert er dem Poeten sein Material.
Endlich erlangen Dinge Bedeutung, endlich sind auch Worte Ding.
Treibgut, Debris, das Welke, dinglich knapp vor dem Aufgehen im allgemeinen Stoffwechsel. Kompost. Material. Schwitters »merz«-Zettel, Montagebasis, wie die Dinge sich finden und aufschwingen, Gedichte zu beleben, Humus für Gärten.
Rilkes Gärtner, Dirk Schulte, setzt Dingkonstrukte ins Kleine Rote Buch, lauter Seitenbeete, »und ordnet sie mit Sinn —«.
Was der Garten zeigt:
Beete.
16 Einzelgraphiken/-collagen eingefügt auf 9 Doppelseiten. Die fünfte Graphik nimmt eine ganze Doppelseite, bei der folgenden ist die linke Hälfte quasi unbearbeitet und nicht signiert, doch hat die Gegenseite sinnig abgefärbt. (Fürs Unkraut übernimmt der Gärtner die Verantwortung nicht. Klingt vorwurfsvoll? …
Das Kleine Rote Buch kommt als Gegenstand und läßt sich als solcher bearbeiten. Dennoch ist es besonders, Metakunst, eine Sache über sich hinaus.
— Thing der Möglichkeiten.
Assoziationen, gefunden beim Duchblättern der Seiten.
siehe dort …
ebd.: »Es kann bei Leibe
nicht alles
aufgezählt
werden.«
& Stempel:
»Radmuttern bei
Kilometerstand
81.4563
NACHZIEHEN«
Zuerst –: Daß alles einmal anders war, als es derzeit ist. Randlage für alles und jedes. Die Jagd am Ufer eines Flusses endet hier, der Maler, Karel Breydel, ist tot, seine Epoche in den Museen, grob gerasterter Druck davon eingeklebt ins Kleine Rote Buch, und kann man verdenkmalen sagen, per Stempel: sogar die Grenze, der Unterschied, den ein Fluß macht, hebt sich auf; erinner Dich.
So führt Dirk eine Melancholie ein, die sich über die Seiten ausbeitet, eine Landschaft, die danach sucht eine andere zu sein. Der Garten ruft nach der anderen Anlage. Der Gärtner hier ist nicht ein Ziergärtner, neues Weltbild ungefällig.
»Trag mich ans andere Ufer.«
»Aber den Fluß gibt es nicht mehr.«
Sie putzten den Tempel mit Wasser aus der Quelle der Nymphe Egeria, bereiteten MolaSalsa aus Getreide und Salzwasser, und aus der Asche ungeborener Kälber Suffimen für rituelle Reinigungen – Vestalinnen.
Wußte die Kaufmann, welch Erbe sie beanspruchte, das einer Kultarchaik für die bürgerliche Frau und Künstlerin? »… Utzung | Nutzung | Benutzung | Verschmutzung …«
Und wieder schließt sich zart eine Diskrepanz: »… wird es ein Haarriss, ein Fadenschein gewesen sein, die blindcopy …« !blindcopy!
»Angelika Kaufmann,
Selbstportrait als Vestalin.«
»Um das heilige Feuer zu hüten, schworen Vestalinnen, dreißig Jahre ihres Lebens Jungfrau zu bleiben«
Kultische Landschaft. Vielleicht mit Monopteros?
OBEN —
Links: aufgeschlagenes Roentgenbild, ein weißes Blatt wegen besseren Sichtbarkeit unter die Klappe gelegt.
Mittig: Z bei eingeklapptem Bild, zusätzlich durch Klebschmier verschleiert.
Rechts: aufgeklappt, Z, Relief der Durchdrückungen, Ausriß, Salzkörner.
Versehentlich las ich A&Z in der Ausrißstelle. Was einen Gleichklang mit meinem Alpha und Omega Goldstaub-Projekt erzeugt hätte. Das »A« und das »&« aber sind zufällige Durchdrückungen von der Rückseite, die mein Gehirn so sehen wollte. Wieso das Z? Seitentitel ist »Melancholie und Salz«, ein End‑Z, mmh, lautmalerisch zz … Ein Gedicht auf der Gegenseite, welches am Ende das Wort Salz acht mal wiederholt und mit »der Vorhang zerriss« eine dramatische Z‑Zeile liefert. Somit eine biblische Anspielung, auf denVorhang im Jerusalemer Tempel, wo der Vorhang das Allerheiligste verbarg – dieses und die blutopfernden Rituale einmal im Jahr. Der Riß zerstörte gewaltsam diese Grenze. In Schultes Gedicht verschwindet allerdings die Narbe, der Morgen zeigt, »alles noch da«. Salzzauber?
Ein Roentgenfilm, als Klappbild ins Rote Buch montiert. Man erkennt im Bild nur unbestimmte Schatten. Deutlich ist ein Ausriß an der oberen Kante und eine Bahn appliziertes feinkörniges Salz senkrecht von dort aus bis zur unteren Kante. Die Salzschicht fühlt sich krümelig und verletzlich an. Der Einklappteil des Roentgenfilms deckt diesen Bereich mitsamt der Z‑Aussparung jedoch so ab, daß er geschützt bleibt, auch beim flüchtigen Blättern im Buch, das sich aber grad an dieser Stelle leicht aufschlägt. Roentgenbilder, ihr spezielles Blau, ihre Schatten, demonstrieren eher die Geheimnisse des inneren Leibes, als daß sie diese lüften. Schimmernde Dunkelflecken für Diagnosen. Konkret ist da nur der Film mit seiner Einsichtsbehauptung, zudem noch das Salz, der Einriß, das Z. Das Buch. Der Titel mit Salz und Melancholie. Salz, schwarze Galle, Salzbizz und Schwermut.
Ich halte an dieser Stelle meine Interpretationsbemühungen an. O.k. doch noch eine, geistreich erotische. Dann aber lasse ich aus:
Die Doppelseite, die sich alternative Kleine Rote Bücher vorstellt; die Rohstoffkontrolle mittels Zahnroentgen (Biß ins musikalische Gold / bzw. Flecktest auf der geraden Seite); Tabernakelkreuz inclusive Kenterkunst; Verlaines Herztransplant Mirakelreimbeet & ich glaub die rote Tiergier schaut weg; Wärmetrog shuttle vor vertikaler Landschaft (shuttle = Pendel&Kapsel) — reimt’s Euch selbst, freßt es ansonsten.
Es folgt sodann die nächste Beitragsposition: Hilleckes/Warnecke.
Empfängnis aus Heiligem Geist. Ich denk mal, daß sie, Maria, die Schenkel des Buches zuschlägt, sollte die Taube sich drauf niederlassen. Man glaubt nicht, was alles sich in Büchern verfängt. »Es kann bei Leibe nicht alles aufgezählt werden.«
Was hat Lorenzo Costa sich damals, so um 1535 dabei gedacht, Marias Empfangsbereitschaft zu einem Buch zu sublimieren. Das Buch als Schoß. Die Taube im Anflug auf die Befruchtungstat. Aber ist eine lesende Maria nicht in eine seltsame Selbstbefruchung, verwickelt, eingeschlechtlich, Parthenogenese, doch nicht ganz, man hofft, sie liest das richtige Zeugs. Oder hat sie’s selbst geschrieben, beflügelt? Dann wären die Schenkel des Buches den Taubenflügeln gleich. Mariä Verkündigung also ganz anders gemeint, ein literarisches Davonflattern ihrer Botschaft, Jesus, die Bibel, wie sie von ihr ausgehen. Fast würd ich sagen, »und nun das Kleine Rote in Nachfolge!«.
»Lorenzo Costa der Ältere (1460−1535)
Maria bei der Verkündigung«.
»Costa hatte in seinem künstlerischen Schaffen eine Art derbe, realistische Natur …« ebd. Wikipedia