Kiel sein, vielleicht nicht strebend gewollt, aber nun mal der Kiel.

Erste Notiz zum Beitrag
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Notiz, nachts, spon­tan auf­ge­wacht, Schlaf-Los, auf Zet­tel

»Kiel vom Schiff«, aber nicht allein von Schif­fen —

Iden­ti­fi­ka­ti­ons­vek­tor, Meta­pher

Als sei er lang­sa­mer als das Boot, zurück­blei­bend, weil ver­haf­tet mit der Tie­fe, zu der es ihn hin­zieht schwan­kend gie­rend, in Schü­ben, zum Bug hin schnel­ler, ver­traut mit dem Heck, dem Ruder, wel­ches er von außen zu beob­ach­ten ver­mag. Betrach­ten und den­ken, wie das Heck doch einem Hori­zont ähnelt. Er hat da immer die­se Span­ne, dort (wohin die Rich­tung zielt) dort noch will ich hin­über, über des Spie­gels sein Board, die­ses Ganz Gro­ße Schiff entern, dort weit vorn.

Du schwimmst einem abtrei­ben­den Schiff hin­ter­her, unter Wass­ser, sel­ber schiffs­tra­gend.

Oder es ver­las­sen.

Er sei die Ruhe sel­ber. Über die Plan­ke. Auf Sta­pel­lauf. Der Ein­schlag ins Was­ser. Wie der Spie­gel birst. Schaum­fet­zen sind der Was­ser­spie­gel Scher­ben brin­gen Glück, sie­ben Jah­re Hoch­not über dem andern Ele­ment nicht dar­un­ter zu kom­men. Aber der Kiel. Die Ruhe in den Wel­len, unter dem Schwe­re­punkt des Schif­fes, im Schat­ten des Rump­fes, wie er stampft, dreht, unter den Plan­ken allein er.

Brust­schwim­men, das Brust­bein, Rücken­schwim­men die Wir­bel­säu­le.

Das atmen­de Schiff.

Die Bewe­gung der Rip­pen. Der Schiffs­raum pul­siert, atmet mit dem Meer. Schwin­gungs­sy­ste­me wie sie sich beatmen …

… und so viel mehr Unru­he über den kup­fer­be­schla­ge­nen Plan­ken. In der Scha­le Rumpf voll Leben, voll Angst, voll inne­rer Wei­te, Hori­zont­spie­le unter Deck, und mit dem Auf­lau­fen der Flut selbst auf­lau­fend recht­zei­tig die Wen­dung in der Häfen Becken ankom­mend – aus­lau­fend. Das Schiff ist selbst in sich selbst ein­lau­fend ein Hafen. Fix und fer­tig, per­ma­nen­te Initia­ti­on, geschafft, beat men, See­män­ner als glück­li­che wel­che.

Das Gift, die Abwehr, Kup­fer, ein kup­fern Unter­was­ser­au­ßen­ske­lett Blech­haut gegen die Gefrä­ßíg­keit des Mee­res. Spä­ter ließ man Span­ten, Plan­ken, Kiel, alles weg. Haut genüg­te, Haut aus Metall und end­lich pla­stisch Pla­stik. Aber Kiel als Prin­zip und aus­lan­gend bleibt: Die Lust des Rump­fes an den Schwer­kräf­ten des Pla­ne­ten. Durch­ken­tern.

Bal­last­kiel, Kiel­bom­be, Lang­kiel, Schlin­ger­kiel, Flü­gel­kiel, … … …, Bal­ken­kiel Grund­be­rüh­rung.

(Der Rumpf war der­art bewach­sen, daß er vom Watt an nach Hau­se lau­fen konn­te.)

Stil­ler Oze­an, die Sehn­sucht nach Frie­den, die Angst vor Flau­ten. »Was­ser, Was­ser!«. Was­ser sei Leben, mit­ten im Pazi­fik jedoch dreht sich das wei­te, tie­fe Volu­men des Oze­ans leb­los, eine Wüste. Untrink­bar. Wir war­te­ten, der Hun­ger kam, der Durst, die Not trieb uns ans Außen­board, im Was­ser­spie­gel wir, flie­gen­de, flim­mern­de Hol­län­der, schon Gei­ster, schwe­re­los, schon tot. Wir hat­ten ver­sucht mit den Gigs, das Schiff zu zie­hen. Zwei von uns waren gestor­ben dabei. Wir bestat­te­ten sie in der See, wir sahen sie san­ken nicht tief und schie­nen das Schiff zu beglei­ten, denn wir lagen still. Nur der Sex­tant bewies, wir trie­ben. Wir folg­ten einem gro­ßen Kreis. Zwei spran­gen und ertran­ken auch sie in der Schwe­be. Ich träum­te mich als Kiel, frei von jeder Boot­s­truk­tur, also frei­fi­ed­ri­ge Ener­gie, querei­lend, aus­bre­chend, bahn­wan­delnd, Expe­di­ti­on der Expe­di­ti­on, system­spren­gend. Und so wer­de auch ich über Board gehen, ist ohne­hin, ret­tungs­los, die Tin­te gänz­lich auf­ge­braucht, Ihr Lie­ben.

Im Kiel­was­ser.

Stil­le Was­ser, sagt man, sind tief. Daß man über Träu­me das­sel­be sagt, liegt viel­leicht am Schlaf­be­wußt­los, an des­sen vor­geb­li­cher Schwär­ze, also wie durch die Brü­che in deren zusam­men­ge­flick­ten Kon­struk­tio­nen es schwarz auf­steigt. Die Angst in Max Ernsts Col­la­ge­ro­ma­nen, denen dich­tet er die Kle­be­stel­len best­mög­lich ab, weil, sogar in jenen düste­ren Bil­dern wären Schwarz­ein­brü­che ver­nich­tend. Nein, nichts ist da still in den licht­lo­sen Tie­fen. Trau­ri­ge »Trie­ste«, Maria­nen­gra­ben, 10.916 Meter, wie sie in den tief­sten irdi­schen Kru­sten­bruch­spalt ein­tauch­te, tota­le Fin­ster­nis, Grund­be­rüh­rung. Aber die anein­an­der bebend zer­schel­len­den Erd­kru­sten­schol­len ver­decken doch nur die wei­ßest glü­hen­den Mag­ma­mas­sen, auf denen sie umher­fah­ren, trei­ben, sin­ken, stei­gen.
Traum­fet­zen.
Ein ande­rer Grund, das Los im Schwarz­be­wuß­t­ora­kel: das prin­zi­pi­ell Unbe­kann­te, Unver­füg­ba­re, die von den Göt­tern offen­ge­hal­te­nen Fugen, durch die sie der Welt ein­flü­stern, was immer die­se hören kann und will. Es ist die Spra­che der Göt­ter dun­kel, daß sie unver­ständ­lich ist, beglau­bigt ihre, von Men­schen unver­fälsch­te Her­kunft, so glatt, daß sie schon wie­der tur­bu­lent, so tur­bu­lent, daß sie schon wie­der glatt, glat­ter, als der Oze­an bei Flau­te. Tie­fe Träu­me sind still.

Kon­ti­nen­tal­plat­ten haben Kie­le.

Glau­be der Rea­li­tät nicht, daß sie der Wirk­lich­keit ent­frem­det homo­gen, glatt, unver­än­der­lich steht. Glau­be den Ebe­nen das Flach­sein nicht, den Ber­gen nicht ihr Auf­ges­teil­tes, glau­be dem Gewirr der Zwei­ge nicht das Dickicht gar, es sei ver­füllt, ver­stei­nert im Kalk­weiß, seit immer schon so. Es schnei­de der Reiß­kiel, eine Schar­te. Sage! »Der Kiel bin ich.« Dem Hori­zont unter mir, daß ich auf­set­ze, schar­re, dem fer­nen, daß ich ihn ker­ben wer­de.« Der Kiel macht die Ker­be, die vor­her nicht war.

Er hat Gewicht.

 

 

ddd Der Hori­zont, über den dein Lauf klet­ter, der dich zugleich rings umgibt dddd