Sei­ten­me­nu:

26 Teil­ge­ber der Aus­stel­lung »Liga­tu­ren«; Nan­cy Jahns stell­te neben mir aus. Das klei­ne Heft fas­zi­nier­te mich irri­tie­rend. Es traf mei­nen Ora­kel­nerv. Fing sofort an zu ten­ta­keln. Den Text hier habe ich, kaum wie­der zuhau­se, ange­fan­gen. »Wei­te­res Nach­sin­nen ergab«, es wur­de ein Blog­bei­trag draus.

Tat­säch­lich ver­such­te ich absicht­lich ein eigent­lich nur gefühl­tes Muster zu bele­gen, not­falls zu erfin­den, bzw. ein ter­ti­um com­pa­ra­tio­nis — das Zar­te im Unter­schied­li­chen:

Mit­hin glaub­te ich an eine gegen­sei­ti­ge Ora­kel­för­mig­keit unter den offen­sicht­li­chen Unter­schie­den; auch als Gefühl.

Inter­pré­ta­ti­on inven­ti­ve?
Bröcke­lig.

Nach­trag:

Will ich mit dem hier eigent­lich sagen, daß aus einem Besuch in Del­phi ein schö­nes Künst­ler­buch ent­stan­den ist, wel­ches selbst Ora­kel­form hat. Mit­hin sei durch die Jahr­hun­der­te hin­durch der so erlang­te Spruch ein Repli­kat, eine Selbst­wei­ter­ga­be des Ora­kels als Rät­sel. Der Spruch des Ora­kels ist das Ora­kel.

Und per Ver­gleich, mit dem ande­ren Künst­ler­buch, Dis­plays, eben­falls ora­kel­för­mig, der Ver­dacht geäu­ßert, die sich an Kunst ins­ge­samt anschlie­ßen­den Deu­tungs­spie­le sei­en eben­das, Fort­set­zun­gen (bewußt­lo­se) alter Ora­kel­prak­ti­ken – des schöp­fe­ri­schen Momen­tes dar­in­nen?

Na ja, wenn die fah­ri­gen Gedan­ken­an­sät­ze das erlau­ben kön­nen, dann: na klar …

bzw. was sind Emana­tio­nen oder bana­ler, Emer­gen­zen als Her­vor­sprin­gen von neu?

[Eigent­lich sträu­be ich mich gegen den impli­zi­ten Dua­lis­mus.]

Nan­cys Heft. (*Nan­cy Jahns, »Del­phi, Janu­ar«) Aus der Erin­ne­rung seit der Liga­tu­ren-Eröff­nung. Es

lag so leicht und mäch­tig auf dem Sockel neben mei­ner Koje. Ein schma­ler auf­ge­schla­ge­ner Strei­fen leich­tes gebun­de­nes Papier, fei­ner Druck, dop­pel­sei­tig. Die rech­te Sei­te nimmt ein in Rot gedruck­tes s/​w‑Photo ein. Ein Land­schafts­bild, wobei der Rot­ton Distan­zie­rung erschwert. Das Bild fängt ein, so schmal es auch ist, und hält mich fest. Fas­zi­na­ti­on nennt man das. Ein eher bräun­li­ches Rot, nicht signal­far­ben, eher düster als leuch­tend, Vene statt Ate­rie, zieht mich in eine Rui­nen­land­schaft. Stif­tet Ver­wir­rung. Ich füh­le mich nicht beun­ru­higt, fast zuhau­se, jedoch in unver­trau­ter Umge­bung.

Zusam­men dann mit der zwei­ten Sei­te eigent­lich mehr als Fas­zi­na­ti­on, intui­tiv ein Ver­wand­schafts­ge­fühl. Der Fra­ge danach ver­dankt sich die­ser Text.

Der rech­ten, auf­ge­la­de­nen Sei­te gegen­über wirkt die lin­ke Sei­te fast leer, weiß, weist aber mit­tig ein mit fei­nen Lini­en gezeich­ne­tes Emblem auf, wel­ches den Blick so stark anzieht, wie das Rot der rech­ten Sei­te. Mei­ne Erin­ne­rung bringt die­se Figur, ihre sehr kla­re Zeich­nung lei­der nicht ent­spre­chend deut­lich her­an. Ich habe grad nichts als die Erin­ne­rung.

Ein Sechs­eck steht auf der Spit­ze, Bezie­hungs­li­ni­en sind ein­ge­tra­gen, Dia­go­na­len, Sym­me­trie­ach­sen (oder war es doch ein Kreis?), Strah­len inner­halb des Rah­mens – jeden­falls ein Ordungs­sy­stem. Es erin­nert an barocke Kos­mo­lo­gien. Es könn­te ein ana­ly­ti­sches Werk­zeug sein, ein Sozio­gramm der Din­ge, ein mathe­ma­ti­sches Abta­sten von Umge­bung. Alle lin­ken Sei­ten tra­gen die­ses Emblem in unter­sch­hied­li­chen Zustän­den, auch ein ganz lee­res ist dabei, und immer scheint es sich auf die rech­te, rote Sei­te zu bezie­hen. Wobei mir nicht klar ist, sind die­se Zeich­nun­gen Ergeb­nis oder noch Suche, Ende oder Anfang einer Maß­nah­me, »Land­schaft ver­ste­hen«?

Jede lin­ke Sei­te hat näm­lich unter der Zeich­nung noch ein paar nüch­ter­ne Text­zei­len, die in eben­falls kla­ren Wor­ten Momen­te der Land­schafts­er­fah­rung beschrei­ben. Ein Weg, der beschrit­ten wird, … [aber auch hier ver­sagt mei­ne Erin­ne­rung, das flüch­ti­ge, abge­lenk­te Lesen inmit­ten der Aus­stel­lungs­er­öff­nung, Auf­fas­sungs­qua­li­tät von Tef­lon, ein Abglei­ten, nun pein­lich]. Es könn­ten die­se Text­zei­len näm­lich die Essenz sein, ein inne­rer Spruch, der die eige­ne Prä­senz in jener Land­schaft als geord­net aus­gibt. Und an mich wei­ter.

Ich habe inzwi­schen, ob des Ver­wand­schafts­ge­fühls, das Titel­schild zur Kennt­nis genom­men. Es gab einen klei­nen Schock, daß Nan­cy Jahns Werk eben, »Del­phi« heißt, und damit sofort mit mei­nen Del­phi-Dis­plays, dem Buch mit den Tief­see­py­thia Zeich­nun­gen kurz­schließt. Ewas Neid auch, denn sie war offen­bar eben­dort in Grie­chen­land und hat eine unmit­tel­ba­re Erfah­rung aus dem Gegen­über sei­ner Rui­nen. Des­sen Impul­se hat sie auf­ge­nom­men, mit­ge­bracht und konn­te sie spä­ter in die­ses schma­le Bänd­chen ein­glie­dern. So wie sich mir für das Buch plötz­lich zwei Strän­ge gra­phi­scher Arbei­ten als zusam­men­ge­hö­rig erschlos­sen, die Tief­see­zeich­nun­gen und die Framing­ver­su­che, so ihr die unter­schied­li­chen Ele­men­te ihrer Anord­nung.

Man kann unter­schied­li­che Gestal­tungs­ele­men­te so zusam­men­set­zen, daß ihre Zusam­men­ge­hö­rig­keit rät­sel­haft wird. Die Muster­er­ken­nung gerät unter Span­nung, sozu­sa­gen springt die gute Apo­phä­nie an. Ora­kel set­zen grund­sätz­lich getrenn­te, doch kor­re­spon­die­ren­de Wel­ten vor­aus. Die hie­si­ge und eine ganz ande­re. Die unmit­tel­bar durch­leb­te und soet­was wie eine unzu­gäng­li­che Welt von Din­gen an sich. Del­phi insti­tu­tio­na­li­sier­te einst Lösungs­pro­zes­se im Deu­tungs­spiel um die beun­ru­hi­gen­den Ver­wer­fun­gen der Rea­li­tät. Zukunftsfragen/​Zufallsfragen.

Unzu­sam­men­hän­gen­des. Nan­cy Jahns Del­phi-Heft bewegt sich so, anders, aber doch ver­gleich­bar in den Ora­kel­vor­stel­lun­gen einer Welt­en­tei­lung – die hier und jene ganz ande­re – deren Unmit­tel­bar­kei­ten kaum inein­an­der über­führ­bar schei­nen, die aber wohl&wehe auf­ein­an­der ein­wir­ken. Bei mir ist das auf der einen Sei­te das inne­re Erle­ben Pythi­as, das nur über unver­steh­ba­re kör­per­li­che Äuße­run­gen an eine äuße­re Instanz, den Tem­pel, die Prie­ster, ver­mit­telt wird. Dort aber man­gelt es an Instru­men­ta­ri­um, ein Ver­ste­hen zu bewir­ken, mit­hin einen sach­li­chen Nut­zen zu aktu­el­len Wirk­lich­kei­ten zu for­mu­lie­ren. Bei Nan­cy Jahns: ihre Prä­senz in Del­phi, samt dem folg­lich gesam­mel­ten Mate­ri­al, Pho­tos, Noti­zen (?), Erin­ne­run­gen einer­seits, ande­rer­seits die fei­ne magi­sche Emble­ma­tik, qua­si Metho­de, min­de­stens ein Anspiel auf über­grei­fen­de Ord­nungs­in­stan­zen, und dann der nüch­tern aus­for­mu­lier­te Text, kon­sta­tie­rend wie wenn ein Spruch.

Inzwi­schen habe ich das Heft auf der Web­sei­te Nan­cy Jahns gefun­den, https://​nan​cy​jahns​.de/​w​o​r​k​s​/​d​e​l​p​h​i​-​j​a​n​u​ar/ und kann nun klä­ren — *genau­er Titel: »Del­phi Janu­ar« || Land­schafts­pho­to­gra­phien vom Besuch in Del­phi || die Tex­te voll authen­ti­scher Unmit­tel­bar­keit, Bemerk­tes hin­ter­ein­an­der gesetzt. Ein­mal ein Aben­teu­er, sie klet­tert eine Klip­pe hoch, die aus­sieht, als sei­en and­re Klet­te­rer abge­glit­ten. Für sie ist es leicht nach oben, der Blick zurück steigt steil ab. || Das Sechs­eck ist ein Acht­eck und steht flach auf einer der Strecken. || Die Dop­pel­sei­te im Heft, wo man die grie­chi­sche Land­schaft mit schwe­ren Regen­wol­ken sieht, hat ein gefüll­tes Acht­eck, die Ecken abstrak­te Sprüh­dü­sen und jede Kreu­zung ein Trop­fen. Der Text beginnt, »Trop­fen fie­len auf die leh­mi­ge Erde.« Und es gibt auch mehr als ein lee­res Acht­eck. Die Zuord­nun­gen erfolg­ten ver­mut­lich asso­zia­tiv. || Die Web­sei­te zeigt nur vier Ansich­ten des Hef­tes.

Ich den­ke an den Auf­wand, den mein Del­phi-Ora­kel­buch treibt. Es geht auch leich­ter. Zart­heit als Neid­pol. Bei mir kommt die Ora­kel­me­cha­nik über die Tur­bu­lenz – Pythi­as Ent­äu­ße­rung – und obwohl ich hof­fe, daß auch hin­ter der Trance mei­ner Über­bor­dung eine Zart­heit sich fin­det, erle­be ich Ora­kel­be­dürf­tig­keit als ein Dra­ma.

Ich stel­le mir vor, man durch­streift eine histo­ri­sche Sze­ne­rie, auf­ge­la­den mit einer mythi­schen Geschich­te, von dem her, was man weiß. Del­phi. Aber man läuft her­um, das Gewöhn­li­che aus All­tag und Gegen­wart. Die Stei­ne sind Stei­ne. Land­schaft kann sich ver­wei­gern. Daß man dort ist, ist schon alles, was vor kommt. Was die Pho­tos auf­neh­men, sind eben solch eige­ne Momen­te, allein das. Immer­hin genau das. So fährt man wie­der. Gewon­nen hat man einen Fun­dus an Mate­ri­al, der sich etwas fremd anfühlt, schon gar vor dem Hin­ter­grund laten­ter Erwar­tun­gen, mit denen man ankam. Del­phi. Das Loh­nen­de, Zar­te der Frem­de.

Janu­ar, Janus­mo­nat. Das ist römi­sche Anti­ke. Weit nach Del­phi. Der Gott auf der Gren­ze, Anfang sowohl als auch Ende in einer Per­son, Alpha = Ome­ga. Sei­ne Intui­ti­on kann frei schwe­ben. Das Ora­kel-Zwi­schen. Dar­auf kom­me ich, weil ich es ken­ne, wenn ein Fun­dus aktiv ruht. Irgend­wann erschließt er sich und wird was. Ich glau­be, dies als begrün­den­de Erfah­rung ver­bin­det »Del­phi Janu­ar« und »Del­phi Dis­plays«.

Nan­cy Jahns Janu­ar Arbeit, noch mal viel spä­ter (trans­rö­misch) heu­te, hat sich aus Del­phi die Ora­kel­struk­tur genom­men, die Dis­plays eben­solch aus mei­nen divin­a­to­ri­schen Recher­chen. Del­phi-Form, als die sich zwei gegen­sätz­li­che Gra­phik­se­ri­en ver­bin­den lie­ßen.

Und, Meta­kunst, zwei­er unter­schied­li­cher Wer­ke, mut­maß­lich.