Nacht­fahr­ten

Unend­lich vie­le Abstän­de machen die Zwi­schen­raum­see

Iro­nie braucht und beinhal­tet unter­schied­li­che Distan­zie­run­gen, die man wie­der­um witzig/​ernst und ironisch/​naiv neh­men kann.
Ich nei­ge zum iro­ni­schen Ernst, eine Nai­vi­tät zwei­ten … höhe­ren Gra­des.

Motiv­grup­pie­run­gen Links:

· 1983 alle Bil­der  · 1982 alle Bil­der · frü­he Nacht­tex­te ·  ·  · Mate­ria­li­en · ·

Kon­strukt, Gelee, Flu­id — wor­auf die Nacht­fah­ren­den rei­ten, dunk­le, glück­li­che Flü­ge —

[oder Pey­ton Far­quhars Surf am Owl Creek].

Ritua­le sol­len

bedeu­tungs­frei Mög­lich­keits­angst.

24.11.1982 15h & 24.10.1987 19h

Mei­ne Bio­gra­phie als Frei­raum.

Lose in die Nacht ein­ge­la­ger­te Indi­zi­en. Lose heißt, locke­re Bezie­hun­gen, heißt situa­tiv und spon­tan zu knüp­fen und zu regeln, heißt, im Prin­zip las­sen sich end­los vie­le fin­den und ver­lie­ren

Es fällt auf, wo ich nun das Mate­ri­al zur Install­per­for­mance »Nacht­fahr­ten« sich­te, daß die Ding­ker­ne, Indi­zi­en, die Tritt­stei­ne der Bio­gra­phie kaum auf­fal­len. Unschein­bar ent­zie­hen sie sich der Auf­merk­sam­keit. Die Gegen­stands- und Akti­ons­clu­ster über­flu­ten, Wel­len lau­fen über Deck, schon jen­seits der Iko­ne, dabei dem Icon­feld ver­haf­tet.

Die aus mei­ner Bio­gra­phie geklaub­ten Din­ge (samt Schlag):

  • ein wei­ßes Saba-Kof­fer­ra­dio (Blickblind’s Flug­zeug)
  • Weih­nachts­ku­geln (Frei­lei­tung)
  • ein Stuhl aus dem »Jugend­haus Wie­den­brück« (Tun­nel­brücke)
  • am Atlan­tik gefun­de­nes Treib­gut (Haus der Nacht, Are­al »Wind­ro­se«)
  • eine Mond­kar­te, mit Mikro­skop, Tran­gia-Bren­ner, Wan­der­kom­paß, Finn­land­kar­te (Kom­paß­ring, Radar­lo­te)

In Klam­mern die Schlä­ge, die Zuge­hö­rig­kei­ten, die sich an die Lebens­in­di­zi­en ange­la­gert haben. Sym­bol­kri­stal­le, Zwi­schen­raum-Gene­ra­to­ren, Funk­to­ren; ich agie­re mit ver­bun­de­nen Augen.

Nach­her: Hier unter der Tun­nel­brücke klar erkenn­bar, die Que­rungs­an­zei­ger (in den Roset­ten) sind ver­stellt, glück­li­cher­wei­se erst nach der Per­for­mance. Den­noch ergibt sich eine Stö­rung der Instal­la­ti­on (wie gut, daß die­se stö­rungs­un­emp­find­lich, naja mmh). Es geht um die Aus­rich­tung der Vek­to­ren­drei­ecke gemäß der inlie­gen­den Vogel­/­Wel­len-Ska­len. Die wur­den nach spe­zi­el­len Kom­pan­den sorg­fäl­tig nach Ska­la ein­ge­stellt, so daß die »Vogel­wel­len« längs genau auf die Blick­blind­ru­ten zu lie­gen kom­men, und die Drei­ecke sich in einen leich­ten See­gang (rol­lend, gie­rend, nickend) ein­ge­mes­sen wie­der­fin­den konn­ten. Die Stö­rung betrifft sowohl die Lage, (s. die »Radar­lo­te«), als auch den Kurs bezüg­lich des See­wegs­haupt­stroms (Blind­blick­ru­ten). Man woll­te wohl nach­voll­zie­hen, wie die­ser »Bio­graph sei­ner selbst« eigen­hän­dig Aus­rich­tun­gen vor­nimmt. Dazu bedarf es aber der Sach­kennt­nis.

Ander­seits, ich möch­te, auch wegen der vie­len, etli­che Male wie­der­hol­ten Hand­lun­gen, auch, weil die Gesamt­an­la­ge, wegen der Kom­ple­xi­tät ihrer Details nicht auf einen Blick erfaßt wer­den kann, auch weil mein Gang durch die Instal­la­ti­on ein Gang in ein offe­nes Innen ist, und die Leu­te ent­spre­chend drau­ßen hält, daß sie zwar mei­nen Hand­lun­gen fol­gen, aber auch umher­ge­hen und das je Gege­be­ne genau­er inspi­zie­ren, oder ein­fach bei sich blei­bend, gedan­ken­ver­lo­ren inne­hal­ten. Was hat das alles womit zu tun?

Unten: In den Klam­mern die roten Num­mern bezie­hen sich (001 – 106) auf die sw-Pho­tos der Per­for­mance 1983. Ich rich­te noch eine Sei­te mit den Pho­tos der Urauf­füh­rung in der Kunst­aka­de­mie 1982 ein. Dann, für eine ver­glei­chen­de Betrach­tung, mach ich auch eine Dop­pel­num­me­rie­rung.

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Zur Vor­be­rei­tung jeden Durch­gan­ges gehört es, daß ich mich rei­ni­ge und mei­ne Haut mit schwar­zer Far­be ein­rei­be. Nur die Hän­de, die Füße und der Kopf blei­ben frei, also die Kör­per­tei­le, die im Allag unbe­klei­det blei­ben. Ich zie­he mei­ne gewohn­te All­tags­klei­dung an.

Die Instal­la­ti­on ist in ihrer ver­kap­sel­ten Form auf­ge­baut, durch­ge­hend schwar­ze Anmu­tung. Gebrauchs­ma­te­ria­li­en lie­gen bereit, auf schlich­tem Pack­pa­pier sind die Bio­gra­phie­zi­ta­te ihren Schlä­gen (Kno­ten, Nischen) zuge­ord­net.

Vom glei­chen Schlag heißt es. Tei­le ver­sam­meln sich auf einem Flecken und bil­den wie auch immer gear­te­te Zuge­hö­rig­kei­ten. Einen gewis­sen Schlag. Inseln, Schlä­ge im Feld. Keim­fä­hig, vor­über­ge­hend, wan­del­bar, Nacht­schlag.

Ich betre­te den Raum, bin schon dort, son­de­re mich end­lich und zie­he mich aus. (001−003) Wenn nackt, beklei­de ich mich mit einem wei­ßen Over­all (sol­chen Over­all über­nahm ich von einem Bau­ern in des­sen Stäl­len sie getra­gen wer­den. Bestimm­te Zuch­ten wer­den beson­ders hygie­nisch und iso­liert gehal­ten, die Klei­dung oft gewech­selt). Außer­dem ver­hül­le ich mit schwar­zen Tüchern die Füße, die Hän­de mit schwar­zen Hand­schu­hen und den Kopf, ich ver­bin­de die Augen, mit wech­seln­den Attri­bu­ten (lie­gen, wo sie gebraucht wer­den), undurch­sich­ti­ge Bril­le, Schlei­er aus schwar­zer Spit­ze, u.a. – tat­säch­lich voll­zie­he ich die gesam­te Per­for­mance blind.

Ich bin immer­hin soweit ori­en­tiert, daß ich die ein­zel­nen Inseln aus Über­gangs­ob­jek­ten fin­den und auch Pfa­de legen kann.

Die erste Insel auf mei­nem Rund­kurs besteht aus einem Kasten mit losem Deckel, einem Stuhl weiß bemalt nach Art von Blin­den­stöcken und eini­gen schwar­zen run­den Eisen­stä­ben. Die Stä­be lie­gen neben­ein­an­der. Der Kasten steht auf den Eisen­stä­ben, der Stuhl auf dem Kasten. Dane­ben liegt die Besen­an­ten­ne, ein Stroh­be­sen mit extra­lan­gem Stil, oben am andern Ende ist eine Fern­seh-Dach­an­ten­ne mon­tiert; und es hat hier ein wei­ßes Saba-Kof­fe­radio. Auf dem Pack­pa­pier liegt das Bese­n­en­de der Anten­ne und steht das Radio.

Ich habe die schwar­ze Bril­le auf. Ich taste, neh­me das Radio, stei­ge auf den Stuhl, (004−009) set­ze mich auf des­sen Leh­ne und suche eine unkla­re Stel­le, ein dyna­mi­sches Rau­schen zwi­schen den Sen­dern. Das bleibt laut wäh­rend der gesam­ten Per­for­mance. — Ich hole die Anten­ne dazu. Ich ste­he, das Radio zwi­schen den Füßen, auf­recht, senk­recht die Anten­ne, ich dre­he sie, der Besen fegt, die Anten­ne streicht durch Fern­kon­tak­te.  Auch ich dre­he mich und neh­me das Radio zwi­schen den Füßen mit. Ich stei­ge aus der ris­kan­ten Höhe, dem schma­len Stand, wie­der her­un­ter. Somit beginnt die Öff­nung. Die Stä­be braucht es als Rol­len. Den Stuhl, an der Leh­ne gepackt, und nach unten-vorn gedrückt, kann ich mit Kraft die gan­ze Kiste vor­wärts schie­ben über die Rol­len von den Rol­len. Sie setzt satt auf, die schwar­zen Stä­be lie­gen frei. Ich knie vor der Kiste und schie­be den Deckel, der nur lose auf­liegt, nach hin­ten weg, mit­samt dem Stuhl. Nun liegt der Deckel auf den Rol­len. Der Kasten zeigt sein kom­ple­xes Innen­le­ben.

Auf der Ober­kan­te aus wei­ßem Filz glitt der matt­schwar­ze Deckel nach hin­ten weg und liegt nun auf den Metall­rol­len. Sicht­bar wer­den weiß umnäh­te Kan­ten schwar­zen Tuches, die ein dia­go­na­les Kreuz bil­den. Es han­delt sich um eine wei­te­re Abdeckung. Das sind vier Drei­ecke, die Grund­li­ni­en an den Sei­ten des Kastens befe­stigt, wobei die Spit­zen sich in des­sen Mit­te tref­fen. Ich neh­me die Spit­ze des vor­de­ren Drei­ecks auf und zie­he sie nach außen. Es wird ein Spie­gel sicht­bar, wäh­rend die wei­ßen Kan­ten nun das Bild eines Hau­ses zeich­nen. Ein Nik-o-laus-haus (Kinderspiel/​Graphentheorie/​Haus ohne Wän­de). Das ver­schwin­det sogleich wie­der, da ich auch die ande­ren Drei­ecke nach außen zie­he. Ein neu­es Recht­eck (90° ⭮) erwei­tert das Recht­eck des Kasten­grund­ris­ses, aber ist weich, Fal­ten, tuchern. Der Spie­gel liegt nun frei.

Man sieht vier­und­zwan­zig schwar­ze Mur­meln, vier in spe­zi­el­ler Anord­nung, man sieht einen schwar­zen in den Spie­gel gekratz­ten Grund­riß: des­sen Innen­kan­ten wer­den von sti­li­sier­ten Schiff­chen befah­ren. deren Masten halten/​fangen vier schwar­ze Glas­ku­geln, Nacht­gra­nu­lat für Posi­ti­ons­la­ter­nen.

Was heißt hier; »fan­gen«? Ich muß auf die Kon­struk­ti­on der Spie­gel­flä­che ein­ge­hen. Zugrun­de liegt ein ein­fa­cher Glas­spie­gel. Glas­spie­gel haben eine spie­gelnd bedampf­te Rück­sei­te und eine polier­te Vor­der­sei­te. Daher sind sie nicht fähig, ein kla­res Bild zu geben. Immer gibt es eine Dop­pel­spie­ge­lung, als hät­te man ein leicht ver­wackel­tes Pho­to vor sich, denn vor dem star­ken Spie­gel­bild gibt es noch über­la­gernd das, wel­ches die Vor­der­sei­te leicht ver­setzt erzeugt. Man kann sogar noch Spie­gel­bil­der ver­mu­ten, die von Spie­gel­vor­gän­gen inner­halb der Glas­schei­be her­rüh­ren könn­ten.

Die­se Effek­te ver­stärkt im Kasten eine auf den Spie­gel geleg­te dicke Schei­be aus Acryl­glas, des­sen Ober­flä­che deut­lich über der bedampf­ten Rück­sei­te des Glas­spie­gels liegt. Eine Mur­mel, die dar­über läuft, führt daher optisch deut­lich ihr Spie­gel­bild mit sich. Wenn man in die Rück­sei­te des Spie­gels, in die auf­ge­dampf­te Schicht eine Zeich­nung, hier ein Grund­riß und eine Art Wind­ro­se, hin­ein­kratzt, dann ist sie den Spie­gel­spie­len weit­ge­hend ent­zo­gen, und schwebt mit eini­ger Klar­heit zwi­schen der gespie­gel­ten und der rea­len Welt.

Es ergibt sich die Mög­lich­keit für einen räum­lich geschich­te­ten Auf­bau. Die Zeich­nung der vier Schiff­chen befin­det sich auf der Ober­flä­che der Acryl­plat­te und spie­gelt sich, sich ver­dop­pelnd; eben­so die schwar­zen Kugeln, die dort umher rol­len. Vor den Masten gibt es, unauf­fäl­lig, Senk­boh­run­gen, in denen sich ein­zel­ne Mur­meln fan­gen kön­nen, die aber nicht tief genug sind, die Mur­mel end­gül­tig zu hal­ten. Man den­ke viel­leicht an ein Geduld­spiel mit Kügel­chen, die in klei­ne Ver­sen­kun­gen zu brin­gen sind. Nur hat es hier kei­ne Kügel­chen, son­dern die­se schwar­zen Kugeln, ein­ge­fan­gen als Schein­la­ter­nen in der Nacht dahin­glei­ten­der posi­ti­ons­far­be­ner Schif­fe. Rot, Grün, Blau, Schwarz – Back­bord, Steu­er­bord, das Was­ser, die Nacht.

Mit Rot, Grün, Blau und Schwarz sind die bestim­men­den Far­ben der Instal­la­ti­on genannt. Weiß kommt noch dazu, end­lich noch Gelb. so will ich auch noch eine Form nen­nen, die Vogel­wel­le, den Wel­len­vo­gel. Man kennt die­se Form aus den Bil­dern von Kin­dern, die Vögel »M«-förmig in den wei­ßen Him­mel gezeich­net. Dreht man die um, ver­wan­delt sich »M« in »W«. So eben auch die etwas geschick­ter sti­li­sier­te Vogel­wel­len­form. Im Kasten hat sie zum einen die Far­be Gelb, zum andern ist sie Schwarz. Der wei­ße Stuhl trägt ver­än­der­te Blin­den­ab­zei­chen, in denen die schwar­zen Punk­te durch Vogel­wel­len ersetzt sind. Die Mur­meln tra­gen gel­be Vogel­wel­len. Wenn sie rol­len, erschei­nen die­se sowohl im Spie­gel­bild, als auch auf der rea­len Kugel. Es ergibt sich ein irri­tie­ren­des ite­rie­ren­des Bewe­gungs­mu­ster, mal im Spie­gel, mal auf der rea­len Kugel sicht­bar.

Die Kugeln lau­fen frei über die Spie­gel­flä­che, wer­den an den Sei­ten von der inne­ren Bespan­nung des Kastens auf der Flä­che gehal­ten und lau­fen wei­ter, per­tur­biert vom Anten­nen­be­sen, den ich dre­he, mit dem ich fege — ich bin inzwi­schen in den Kasten gestie­gen (010−016), mei­ne Füße, lose in Lap­pen, ich den­ke an die flackern­den Begeg­nun­gen gespie­gel­ter und rea­ler Vogel­wel­len, das Gefühl hier etwas scheu­chen zu kön­nen, wer weiß was. Soeben habe ich mit den Kugeln Mur­mel gespielt, dann in kind­li­cher Iden­ti­fi­ka­ti­on sel­ber woll­te ich rol­len, irri­tie­ren, nächt­li­chen. So rüh­re ich, mil­li­me­ter nur ent­fernt von mei­nem (Kann man bei Fuß über Fuß, nach unten, »gegen-über«, sagen?) senk­rech­ten Gegen­stück, über mei­ner Spie­gel­bild­fort­set­zung. Wir bei­de dre­hen, rüh­ren, scheu­chen über die­sem lee­ren Abstand, über unge­rühr­ter Trenn­zo­ne. [Dort hin­ein geht die Rei­se!]

Ich habe wäh­rend der Akti­on an nichts gedacht. Ich habe den Deckel genom­men und, indem er sich in eine schwar­ze Tafel ver­wan­del­te, vor der Frei­lei­tung abge­legt. Dann bin ich zurück­ge­kom­men und habe die Stä­be als Nacht­ru­ten zu Ori­en­tie­rungs­li­ni­en aus­ge­legt, Blick­blind-Mar­ken, die ich spä­ter wür­de mit den Füßen tasten kön­nen. Die Pfa­de zu legen hat etwas gedau­ert. Zwei mal muß­te ich die Fuß­lap­pen dicht zie­hen. Ein­mal ver­lor ich die Ori­en­tie­rung.

Ich bin noch ein­mal zur ersten Insel zurück­ge­gan­gen. Die undurch­sich­ti­ge Bril­le auf den Stuhl gelegt und den Stuhl auf den Grund­riß im Spie­gel gestellt. Der Grund­riß paßt exakt unter die ver­zo­gen unega­len Stuhl­bei­ne. Im Spie­gel­bild sah man den Stuhl, wie ein Gebäu­de, eine Art Kup­pel­bau, auf­ra­gen, in die Tie­fe, Höhe. Unter der Sitz­flä­che ist der Stuhl schwarz ange­stri­chen, ein Him­mel über den Arka­den.

Jetzt end­lich vor der Frei­lei­tung:

Ich hat­te mir sagen las­sen, daß der Trans­port von Ener­gie nicht eigent­lich durch jene Überland‑, Fern‑, Frei­lei­tun­gen füh­re, zumal bei Wech­sel­strom die Elek­tro­nen nur hin und her ruckel­ten, gleich­sam. Weil, tat­säch­lich wird die Ener­gie mit­tels der elek­tro­ma­gne­ti­schen Fel­der außen­her­um trans­por­tiert.

Die Meta­pher vom Flie­ßen, Fluß, Strom von Elek­tro­nen ist immer noch so mäch­tig, daß auch (oder wie­der) noch heu­te, kaum ein Ein­ge­hen auf sol­chen Gedan­ken­gang, nicht ein­mal im Inter­net, zu fin­den ist. Reicht doch auch die Vor­stel­lung eines Bach­lau­fes, sozu­sa­gen Grund­was­ser­be­we­gung durch eine kie­se­li­ge, san­di­ge, über­haupt kör­ni­ge Stuk­tur zur Mani­pu­la­ti­on von elek­tri­scher Ener­gie hin.

Wäh­rend zugleich Induk­ti­on berüh­rungs­los zur Wär­me­er­zeu­gung und Ener­gie­über­tra­gung und sogar als Wort­feld (um gänz­lich dem Unsinn anheim zu fal­len) genutzt wird. Induk­ti­on ver­bin­det vom Bedeu­ten her Ener­gie­über­tra­gung, Nach­rich­ten­über­tra­gung und Über­trag vom Beson­de­ren auf’s All­ge­mei­ne, und ist noch lang nicht aus­ge­reizt, ist den­noch auch bloß Zwi­schen­schritt neu­er Meta­phern­bil­dung.

Sen­der, Emp­fän­ger. Sen­der, Medi­um, Emp­fän­ger. Wenn aber, statt der sug­ge­rier­ten Ein­di­men­sio­na­li­tät, dem linea­ren Fluß von Infor­ma­ti­on, es um gan­ze Schwin­gungs­sy­ste­me ging, von Land­schaf­ten, von weit aus­ho­len­den Topo­gra­phien, die in Modi von Quel­le, Sen­ke, Wir­bel, der Durch­drin­gung, der Inter­fe­renz, der Viel­di­men­sio­na­li­tät, die inter­agier­ten, und zwar wie?

Ich war nie ein Anhän­ger von Sen­der – Emp­fän­ger Model­len. Nie. Schon des­halb nicht, weil ich stän­dig in der Qual leb­te, die Topo­gra­phien in mei­nem Kopf über zu lei­ten line­ar in fort­lau­fen­de Rede — ich rede­te daher so viel, so gründ­lich, so ermü­dend, so unver­ständ­lich, so Abwehr erzeu­gend, so unvoll­stän­dig, so des­ori­en­tiert, so, so kommt das doch nicht über, was ich da inner­lich vor Augen und im Gespür habe, so hilf­los. Es war gut, allein, spa­zie­rend im Stadt­holz, …, zeich­nend über einem gro­ßen Blatt stri­chelnd, … mich mei­nen Phan­ta­sien (so nann­te ich’s) zu über­las­sen. Nicht, daß ich etwa mein­te, eine Zeich­nung z.B. wäre die Alter­na­ti­ve. Viel­leicht der Voll­zug, oder mehr, die Erfin­dung als Abflug in umnach­te­te Fahr­ten, deren Gerüst sich sogar aka­de­misch zei­gen lie­ße? Ich glaub nicht. Ich bin auch nicht sicher, nein, bin, daß es auch um Ver­ste­hen nicht geht.

Die Insel Frei­lei­tung. Ihre Art kom­pakt und ver­schlos­sen zu sein,  gab sich nicht in Form kom­pri­mier­ter Opa­zi­tät, wie jene Insel eins. (017 – 034) Die Frei­lei­tung hat­te zwei sti­li­sier­te Strom­ma­sten oder Tele­gra­phen­stan­gen, zwi­schen denen zwei Zen­ti­me­ter brei­te schwar­ze Bän­der hin­gen. Zwei­mal die typi­sche Seil­kur­ve (cosi­nus hyper­bo­li­cus, cosh, Mini­mum poten­ti­el­ler Ener­gie), sprich, »schlaff«. Die Stan­gen stan­den eini­ge Meter aus­ein­an­der und hat­ten oben Quer­stan­gen, wel­che die Bän­der hiel­ten. Die gan­ze Kon­struk­ti­on also war durch­sich­tig, weit­schwei­fig und lose. Sie konn­te aber dau­ern und war­te­te. Und in dem lag ihre Ver­schlos­sen­heit.

Davor hat­te ich eine gro­ße, sehr schwe­re, dunk­le Ton­scha­le in Form einer Vogel­wel­le depo­niert. Sehr irden und mit Sand gefüllt. Der Sand jedoch war gefärbt, der eine Flü­gel hat­te roten, der ande­re Flü­gel grü­nen Sand. Außer­dem gab es auf schlich­tem Pack­pa­pier abge­legt, drei Weih­nachts­ku­geln (selbst geba­stelt aus spit­zen Gold­pa­pier­tüt­chen) und zwei Edel­ro­sen, dun­kel­rot, ent­spre­chend zwei Kri­stall­glas­va­sen. Auch und mit etwas Risi­ko stan­den da zwei Zylin­der­glä­ser, das eine mit schwar­zem Lack befüllt, das ande­re mit rei­ner Schwe­fel­säu­re. In die­se Anord­nung, Frei­lei­tung und Zube­hör, hat­te ich die Tafel von der ersten Insel her über­führt.

Ich war inzwi­schen (mir den Schlei­er neh­men, der bereit lag, mei­nen Kopf ver­hül­len, die Bril­le abneh­men, das Spit­zen­tuch so dicht, daß ich egal nichts sehen konn­te, die Bril­le auf dem wei­ßen Stuhl depo­niert und wie­der zurück zu den Lei­tun­gen) also vor der Tafel inzwi­schen: hob ich die schwe­re Scha­le und stell­te sie mit­tig oben­auf. Ich nahm wei­ße Krei­de und zeich­ne­te um die Scha­le her­um exakt den wei­ßen Umriß Vogel­wel­le. Stell­te die Scha­le wie­der zur Sei­te. Nahm blaue, dann grü­ne, dann rote Krei­de und impro­vi­sier­te in hef­ti­gen Gesten expres­siv Vogel­wel­li­ges, ein Krit­zeln, daß es die Lust war, Schwün­ge, schwei­fi­ger Zei­chen­flug, Rot, Steu­er- und, Grün, Back­bord und wei­te See Blau — auf matt Schwarz. Immer wie­der. Das dau­er­te. Selbst ermat­tet dann, hob ich mich, hob ich die Tafel, die Zeich­nung, die Nacht und leg­te sie auf die Bän­der, in die cosh-Kur­ve, die­se straf­fend (von den Tafel­kan­ten zu den Stan­gen und unter der Tafel durch­lau­fend drei Gera­den, Strecken jetzt) und sie schau­kel­te lei­se, schau­kel­te aus. Quer­be­we­gung, in die nun fol­gen­des ein­ging.

Ich nahm die Vogel­wel­len­scha­le zu mir, vor mei­ne Knie. Ich fuhr mit den Hän­den in den Sand, mit dem sie gefüllt war. Unter die Dünen, genüß­lich von unten, dreh­te die Hän­de. Hän­de voll Sand warf ich über die Tafel, ein Sturm. Ich warf und warf, ach­te­te der Far­ben nicht, nicht des Ori­en­tie­rungs­ge­men­ges, nicht der Form, aus der ich den Sand frei­setz­te – die Tafel indes schau­kel­te nicht mehr, son­dern senk­te, neig­te sich als ein Sand­pult, mir zu. Sand rutsch­te, neu­es Bild.

Es blieb nicht mehr viel zu tun. Ich stell­te bei­der­seits zwei Vasen auf, tauch­te die eine Rose mit dem Kopf vor­an in die schwar­ze Far­be, die ande­re mit dem Kopf vor­an in die Schwe­fel­säu­re. Die bei­den mit ihren nun hän­gen­den schwar­zen Köp­fen in die Vasen gepflanzt, so also. Und die Weih­nachts­ku­geln-selbst­ge­ba­stelt leg­te ich in den Sand, so vom Pult geglit­ten. Ende hier.

Wie kam ich zur näch­sten Insel? Gab es nicht immer Tei­le, Gegen­stän­de, wel­che die Fäh­re mach­ten, oder reicht die ein­fa­che Sehn­sucht, »zum näch­sten …«?

Hier hält mich, noch die­ses zu sagen, daß ich näm­lich anhand der Pho­to­se­ri­en, die ich ein­scan­ne, erken­ne, daß es Unter­schie­de zwi­schen den Auf­trit­ten gab. Die in der Aka­de­mie und die im Krea­tiv­haus unter­schie­den sich in etli­chen Details. Hier hat sich die Pult­form erge­ben (Aka­de­mie) dort nicht (Krea­tiv­haus), hier habe ich die Rosen lie­gen lass­sen, dort auf das schwe­ben­de Brett gestellt, usw.

Sogar die­ser Text hier auf die­ser Sei­te – er rekon­stru­iert aus der Erin­ne­rung – hat kei­ne Garan­tie auf Rich­tig­keit. Leicht wird man Abwei­chun­gen ent­decken.

Tat­säch­lich beru­higt mich das. Ich blei­be bei aller Ritua­li­tät den Kas­ka­den und dem Situa­ti­ven ver­haf­tet. Zudem schreib ich tat­säch­lich unver­mit­telt ins Inter­net (Ver­si­ons­ge­schich­te).

So wie die Basis­din­ge situa­ti­ons­ge­bo­ren zu mir kamen, so vari­iert sich die Per­for­mance durch die klei­nen Ver­än­de­run­gen nach und nach auf stär­ke­re, deut­li­che­re Ver­wand­lun­gen hin. Klein­schrit­tig kumu­liert all­mäh­lich, so daß nur im Rück­blick der gro­ße Über­gang oder Sprung erkenn­bar wird. Ja, Rück­blick, sogar mei­ne künst­le­ri­sche Ent­wick­lung ins­ge­samt, wenn ich von zwan­zig-drei­und­zwan­zig aus schaue — Über­gang klingt nach Kon­ti­nui­tät, was aber Dis­kre­panz war: Blickt man nach vorn, haben Brü­che das sagen.

In solch Über­gangs­er­fah­rung  (035 – 052), nach vorn/​zurück, paßt die näch­ste Insel. »Tun­nel­brücke«! Kei­ne Objekt­grup­pe der Nacht­fahr­ten ist nicht kom­plex, ist nicht brü­chi­ge Schwan­kungs­wei­te. Hier hat es eine Brücken­kon­struk­ti­on, die auf hal­bem Weg sti­li­siert einen Durch­gang, Tun­nel, Berg trägt, einen Berg, der nach oben geöff­net unter­schied­li­che Abdeckun­gen auf­neh­men kann. Ich den­ke da eher an Herd­plat­ten, aus­tausch­bar, wie sie dem Feu­er begeg­nen. Also ist der Berg ein Herd, vul­ka­nisch, jedoch hohl, leer, hung­rig, das Feu­er kommt noch. Ein Vul­kan, in dem kein Feu­er brennt, son­dern dem ein Feu­er, voll ent­facht ein­fährt, eini­ge Zeit sich auf­hält, und dann wei­ter­reist. So ist der Berg, der Herd, auch ein Bahn­hof. Die Brücke also wäre, ja, ist eine Eisen­bahn­brücke. Es füh­ren wirk­lich zwei Glei­se hin­über. Von wo nach wo?

Von den mög­li­chen Ufern fehlt  das hie­si­ge. Die Brücke begeg­net mir als schie­fe Ebe­ne, abschüs­sig, ihr ande­res Ende gegen­über liegt auf der Leh­ne eines Stuhls. Und der steht auf einem Blatt Pack­pa­pier. Der Stuhl ein Erin­ne­rungs­stück. Den Rei­sen­den vir­tu­el­ler Bio­gra­phien, mich, schickt das zurück zu dem wei­ßen Stuhl auf dem Spie­gel des Blin­den. Ich hole ihn, nut­ze, daß die Längs­stre­ben der Brücke an den Enden mit Band umwickelt sind, grif­fig, ich fas­se an, hebe die­ses Ende in die Waa­ge­rech­te, stel­le den wei­ßen Stuhl mit der Leh­ne dar­un­ter, und lege ab – und sage nun, daß auf der ande­ren Sei­te der schwar­zen Brücke ein Schiff auf­ge­gleist ist und war­tet.

Das Schiff und sein Turm. Das Schiff und sei­ne Glut­gru­be. Das Schiff und sei­ne kar­da­ni­sche Auf­hän­gung. Das Schiff mit Steu­er­bord (rot) und Back­bord (grün). Das Feu­er­schiff, dem ich sei­nen Bren­ner hole. Eine Fla­sche Spi­ri­tus ist unter der Brücke, ich fül­le den Bren­ner. Ich neh­me mir auch den Fidi­bus und ent­zün­de ihn an der Glut-auf-der-das-Schiff-hockt.

Am andern Ende der Brücke hängt näm­lich ein Kasten mit glü­hen­den Koh­len. (Es braucht beson­de­rer Abspra­chen, daß solch in Gebäu­den zuge­las­sen wird.) Der Kasten aus soli­dem Eisen ist kar­da­nisch auf­ge­hängt, daß er dem Auf- & Ab der Tun­nel­brücke nicht nach­gibt und kippt. Das hält auch das Glei­sen­de waa­ge­recht, auf dem das Schiff  war­tet. Es soll eben nicht die schie­fe Bahn hin­un­ter, son­dern still­hal­ten auf sei­nem Platz über der Glut. Der Bren­ner faucht.

Ich steck­te also mei­nen Span in die Koh­len, bis er brann­te, und ent­zün­de­te den Spi­ri­tus. Das lei­se Fau­chen zeig­te, die fast unsicht­ba­re Flam­me war an, der Bren­ner funk­tio­nier­te (ver­läß­li­cher Sturm­ko­cher übri­gens von mei­nen Rei­sen). Jedoch rußt die Flam­me stark.

Ich schie­be das Feu­er­schiff in den Tun­nel. Hier im Dun­kel leuch­ten die Flam­men. Der Tun­nel ist mit einer Glas­schei­be gedeckt. Von unten schla­gen die Flam­men dage­gen und schwär­zen das Glas. Eine Ruß­schicht ent­steht, mit­hin ver­wan­delt es sich in einen schwar­zen Spie­gel. Das Schiff fährt wie­der über die Gru­be. Die Glas­plat­te kühlt ab. Über­haupt, mit dem Feu­er, stän­dig ist da Gefahr, daß ich mir die Fin­ger ver­bren­ne. Jetzt aber zieh ich die Hand­schu­he aus.

Ich fah­re mit bei­den Hän­den von bei­den Sei­ten in den Tun­nel, beru­ße mir die Fin­ger­spit­zen und zeich­ne damit mein Gesicht nach. Auf der Haut und im schwar­zen Spie­gel. Mit einer Art nega­ti­ver Hin­ter­glas­ma­le­rei, nimmt dort jeder Fin­ger­streich Ruß weg und hin­ter­läßt eine trans­pa­ren­te Spur. Um die Bril­le, um die Augen, die Nase, um die Lip­pen, die Stirn, … Wo ich schwarz wer­de, da wird die Glas­schei­be hell, am Ende eine inver­se Mas­ke. Die Umris­se trans­pa­rent, die Öff­nun­gen, beson­ders die Augen, schwarz. Für kur­ze Zeit lege ich die Mas­ken­zeich­nung auf dem wei­ßen Stuhl ab.

Das Feu­er­schiff fährt wie­der in den Berg ein. Einen Moment lang schla­gen die Flam­men oben her­aus. Aber schnell nimmt eine Kup­fer­scha­le ihren Platz. Auf der Scha­le lie­gen zwei wei­ße aus Trans­pa­rent­pa­pier gefal­te­te Schiff­chen, wie Kin­der sie fal­ten. Wei­ße Schiff­chen. Wei­ße Schiff­chen, auf einer Plat­te, die mas­siv befeu­ert immer hei­ßer wird. Wer­den sie irgend­wann bren­nen? Bald riecht es ange­sengt, die Schiff­chen wer­den braun. Ich wen­de mich ab. Ich über­las­se sie ihrem Schick­sal.

Der Spi­ri­tus wird nicht mehr gebraucht, die Mas­ken­zei­chung nur als Über­trag. Also brin­ge ich bei­des hin­über zur gro­ßen auf Pack­pa­pier depo­nier­ten Mond­kar­te. Ich stel­le die Fla­sche ab, und leh­ne die Zeich­nung schräg dar­an.

Die Mond­kar­te, nach der Ord­nung der Inseln wäre sie noch nicht dran. Eigent­lich Über­näch­ste. Aber tat­säch­lich ist das kom­men­de Ensem­ble eine Dop­pel­in­sel. Die Ver­hält­nis­se stei­gern noch ein­mal ihre Kom­ple­xi­tät. Mir wird schon ganz anders von­we­gen der Anfor­de­rung, das zu beschrei­ben.

Jeden­falls gehe ich für die bei­den näch­sten Über­gän­ge erst zum, »Haus der Nacht bzw. Are­al Wind­ro­se«; dann zum, »Kom­paß­ring bzw. den Radar­lo­ten«. —

Matt­schwarz (053 – 069) mit Tafel­far­be gestri­chen, und es liegt wei­ße Krei­de bereit: Ein kreis­run­des (Ø cm 200) schwar­zes Grund­stück, auf dem ein Haus steht, Modell, »Haus-vom-Niko­laus«, eine Zeich­nung aus Eisen, Vier­kant­roh­re (cm 4×2), zwei Räder aus Holz (cm 10), Rei­fen aus wei­ßem Schaum­stoff, schmal … ins­ge­samt das Haus aber schwarz, unten matt tafel­far­ben, nach oben hin in brei­tem Über­gang hoch glän­zend … … Ich fang noch mal an:

Die Zeich­nung aus Eisen ist etwa 250 cm hoch, 100 cm breit und 2cm tief, wenn man das Fahr­ge­stell nicht beach­tet. Das Fahr­ge­stell an dem einen, äuße­ren senk­rech­ten Stand­bein bringt, quer ange­schweißt, etwa 40 cm Tie­fe. Das Stand­bein am andern Ende hat unten eine Metall­spit­ze. Die gan­ze Kon­struk­ti­on ist dazu da, das schwar­ze Grund­stück über­strei­chend wie ein Zir­kel  im Kreis zu fah­ren. Das Haus steht auf dem Radi­us. Die Spit­ze hält innen den Punkt, die bei­den Räder außen, fah­ren nah am Rand. Die erste, waa­ge­rech­te Stre­be ist so hoch über dem Boden ange­setzt, daß es mög­lich sein wird, sie über mich hin­weg­fah­ren zu las­sen. Denn das ist Teil des Plans, daß das Haus nicht nur über die Kreis­flä­che, son­dern auch über mich hin­weg fah­ren wird, knapp. Über die­ser Stre­be baut optisch pro­por­tio­nal rich­tig das Niko­laus­haus-Sche­ma auf.

Die­se Insel hat einen dicken san­di­gen Strick und ein blei­ches Holz­stück, die neben­bei auf Pack­pa­pier abge­legt sind. Ich wer­de, wenn ich ankom­me, bei­des mit auf das Grund­stück neh­men und am inne­ren Stand­bein befe­sti­gen. Danach las­se ich mich auf alle vie­re run­ter.

Das Niko­laus­haus Sche­ma ist ein belieb­tes Rät­sel, wie man es  näm­lich in einem Zuge zeich­nen kann. Es gibt vier­und­vier­zig Lösun­gen. Von denen ich die benö­ti­ge, die unten rechts enden. Dann ist es mög­lich, gleich wei­ter zu zeich­nen und ein näch­stes Haus anzu­hän­gen und wie­der ein näch­stes und so wei­ter. Am flüs­sig­sten geht das, wenn der Strich aus der Dia­go­na­le ankommt, oder waa­ge­recht mit dem Boden­zug.

Wäh­rend das Sche­ma eisern über dem schwar­zen Kreis auf­ragt, wer­de ich begin­nen so eine Häu­ser­rei­he zu zeich­nen. Indem ich das eiser­ne Haus wie einen Zir­kel nut­ze (es liegt wei­ße Krei­de unter dem Fahr­ge­stell bereit) zie­he ich in einer unun­ter­bro­che­nen Linie eine Serie, eine Front von Niko­laus­häu­sern, mit den spit­zen Dächern nach außen am Rand des Grund­stückes ent­lang um mich her­um. Als die Rei­he sich schließt, krüm­me ich mich um das inne­re Stand­bein und dre­he das Haus meh­re­re Male über und um mich her­um. Ein­ge­schlos­sen, nach innen aus­ge­schlos­sen, selbst­ge­zeich­net nach übli­chem Sche­ma, fort­ge­setzt Kin­der­spiel, die Bewe­gung selbst­be­züg­lich,  blind, am Boden gebor­gen — komm da nicht mehr raus. Kann nicht, will nicht, kann nicht.

Einen Moment lang ent­span­ne ich.

 

Ich fang an zu knib­beln. Da wo die Spit­ze des Zir­kels in die Boden­flä­che ein­sticht, hat es ein Loch, wo ich mit dem Fin­ger hin­ein kann. Wo ich ein biß­chen ein­rei­ßen kann. Was sich erwei­tern läßt. Wei­ter­rei­ßen.

Ich lie­ge auf Papier. Das Papier hat einen Unter­bau, es geht noch tie­fer in das Loch hin­ein.

Der Unter­bau wird mit jedem Auf­puh­len, Knibb­beln, Abrei­ßen deut­li­cher sicht­bar. Nach­her schie­be ich in gro­ßen Fet­zen die schwar­ze Papier­schicht nach außen weg. Und soet­was wie ein Zir­kus­zelt erscheint, jeden­falls in far­bi­gen Spal­ten kom­men … Drei­ecke zum Vor­schein. Genau zwölf Drei­ecke.

»bzw.«, bezie­hungs­wei­se, Haus der Nacht, bzw. eine Hafen­ro­set­te, bzw. eine Wind­ro­se, bzw.: fin­det man die von mir, von Wind und See­fahrt auf Rou­ten ver­teilt und ver­streut. Gutes Wet­ter bei leich­ter Dünung. Am Strand ent­deckt man die Debris des letz­ten Stur­mes der letz­ten Nacht.

Immer ist »Haus der Nacht« auch die Nacht als Haus. Ein Hau­sen, ein Brau­sen, ein Heim, ein Ver-&Ge-borgensein für die Dyna­stien des Cha­os. Die Genau­ig­keit im Ten­ta­keln des Pro­me­teus —

Zeigt sich streng. [Übri­gens pla­ne ich eine Extra­sei­te mit den Ent­wür­fen und Maßen und Mate­ria­li­en zu den »Nacht­fahr­ten«, viel­leicht mal zum Nach­bau.] Er hat Gesell­schafts­ord­nun­gen erfun­den. Aus dem Nichts.

— zeigt sich, nach­dem die schwar­ze Abdeckung weg­ge­fetzt wur­de, als Zwölf­eck roter, grü­ner und blau­er Drei­ecke im Wech­sel. Ein rotes, dane­ben ein grü­nes, dane­ben ein blau­es; rot und grün machen, von der Posi­ti­ons­be­leuch­tung her, je ein Schiff, zwi­schen bei­den das Drei­eck in Blau, wäre sozu­sa­gen ein Was­ser­ding, ein Abstand-Ding wel­ches genau anders als das Schiff sich in Fahrt­rich­tung rechts rot und links grün flan­kiert zeigt.

Ich weiß, dafür sind die wei­ßen Posi­ti­ons­lam­pen da, damit man im Dun­keln zwi­schen Schiff und Nicht-Schiff unter­schei­den kann. Wenn in der Nacht der Schiffs­kör­per in der Dun­kel­heit ver­sun­ken unsicht­bar fährt, in Fahrt­rich­tung nur sein Steu­er- und Back­bord mar­kiert hat, und es hat meh­re­re sol­cher Schif­fe gar in Rei­he, dann ergibt sich ein Licht­mu­ster

–r‑g–r‑g–r‑g–r‑g–

wenn man hin­ter­her fährt. Kommt man ent­ge­gen, sieht es so aus:

–g‑r–g‑r–g‑r–g‑r–

die Sei­ten sind logi­scher Wei­se ver­tauscht. Will man die Rei­he pas­sie­ren, über­ho­len oder begeg­nend durch, man weiß aber nicht, kom­men sie oder gehen sie, die­se Schif­fe, dann Risi­ko. Man könn­te sich am Abstand ori­en­tie­ren, wo breit (–) da also hin­durch. Aber wenn es sehr brei­te Schif­fe oder sehr schma­le Seit­ab­stän­de gibt, dann kol­li­diert man mög­li­cher­wei­se.

Ich war mit sol­chen Über­le­gun­gen wie in einem Halb­schlaf immer wie­der zugan­ge. Ich sah die Drei­ecke als Schiffahrts­kör­per im Hafen fried­lich neben­ein­an­der, geson­der­te Far­ben, fest auf ihren Plät­zen fest­ge­bun­den, auch das Was­ser-Drei­eck, und dann dreh­te sich mir das Zwölf­eck im Kop­fe um, spie­gel­te sich auf die­se Wei­se, schon hat­ten sich die Posi­tio­nen fatal ver­tauscht, es gab Fahrt­rich­tungs­än­de­rung, wo kei­ne Fahrt war, Was­ser hat­te Posi­tons­la­ter­nen, und dann all solch unter den Bedin­gun­gen schwär­ze­ster Fin­ster­nis …

Tat­säch­lich hat­te ich zunächst vor, die für den Unter­bau zuzu­sä­gen­den Plat­ten (Span­plat­ten) auf bei­den Sei­ten gleich zu bema­len, wodurch sich der Spie­ge­lungs­ef­fekt ergab. Auf der andern Sei­te unten, ver­tausch­ten sich die Posi­ti­ons­mar­kie­run­gen. Bei­des zugleich zu haben, in der­sel­ben Anordung stress­te mich einer­seits, ander­seits, genau! Gute Ver­schrän­kung. Ich hat­te vor, die Drei­ecke über ihre Basis im Zuge der Per­for­mance umzu­schla­gen. Sie wür­den also wie ein Stern, Spit­zen aus­wärts, also Fahrt­rich­tung, also Fahrt nach außen auf­neh­men und zwar unter Ver­öf­fent­li­chung ihrer Unter­sei­ten. Ver­schrän­kung plus Dyna­mik. Ich mach­te mich dar­an, die Unter­sei­ten ent­spre­chend kom­ple­xer zu ent­wer­fen.

Ent­fal­tungs­mög­lich­kei­ten zube­rei­ten und auf­ta­feln.

Das Rot. Das Grün. Das Blau. Die Kenn­zei­chen der Lich­ter­füh­rung hat­te ich bis­her sub­stan­zi­iert. (Auch das Weiß, das Schwarz, das Durch­sich­ti­ge; was einen eige­nen Kom­men­tar bräuch­te.) Alle als je eigen ver­selb­stän­digt. Was gewöhn­lich sozu­sa­gen zur Kenn­zeich­nung auf der Bord­wand sitzt, fuhr nun als eige­nes Boot und war frei für freie Asso­zia­tio­nen, grün grün blau rot blau rot … im Prin­zip also auch die Bedeu­tun­gen. Das Links. Das Rechts. Das Zwi­schen. Das Ori­en­tie­rungs­mu­ster löste sich auf und ergab sich einem unor­dent­li­chen Sym­bo­lis­mus. Zwei mal Steu­er­bord konn­te mit sich selbst zusam­men­sto­ßen, das Was­ser mit dem Was­ser. Das Was­ser­schiff, Tief­see und Wol­ke, U‑Boot und Flug­zeug. Es war nur logisch, daß auf der Unter­sei­te jedes Drei­eck, der Eigen­stän­dig­keit ent­spre­chend wie­der als Schiff gekenn­zeich­net wur­de. Alle Drei­ecke hat­ten also eine rote und eine grü­ne Hälf­te. Nur zwei beka­men ganz­flä­chig ein Blau: Hafen­aus­fahrt.

Die kor­rek­te Lich­ter­füh­rung Back­bord, Links in Fahrt­rich­tung, Rot, wenn unter­schwel­lig ver­bor­gen im Hafen; wenn umge­klappt, see­wärts, bereit für die Aus­fahrt – wohin also – in ein ver­kehr­tes Meer. Und aus was für einem Hafen?

Ich klapp­te also die Drei­ecke über ihre Basis am Rand um. Nur eines blieb als Sockel für das Nikol­haus. So hat­te ich eine eigen­ar­ti­ge, aus­fahr­be­rei­te Wind­ro­se und setz­te über zur Kom­paß­in­sel (070 – 092).

Einen Über­trag hat­te ich schon, man erin­ne­re sich, auf der Mond­kar­te gelas­sen, das Por­tait in Ruß; aber auch in der Kon­struk­ti­on der Wind­fahr­zeu­ge hat es eine strik­te, funk­tio­na­le Ver­bin­dung zum Kom­paß­kreis. Alle tra­gen Vogel­wel­len­an­zei­ger, nach Art von künst­li­chen Hori­zon­ten, wel­che den natür­li­chen Hori­zont erset­zen, falls die­ser aus­fällt, oder nur die Raum­la­ge bestimmt wer­den muß.

Die Drei­ecke sind aus zwei dün­ne­ren Span­plat­ten zusam­men­ge­leimt. In die eine hat­te ich ein run­des Loch geschnit­ten, in wel­ches nach­her die Ska­la und eine Vogel­wel­len­form aus eben der Span­plat­te ein­ge­setzt wur­den. Die Vogel­wel­le kann man dre­hen und über der Ska­la ein­stel­len.

Die Ein­stel­lun­gen im ver­deck­ten Zustand kann man sich als kreis­för­mig kali­briert vor­stel­len. Die Vogel­wel­len dre­hen sich von Ska­la zu Ska­la, von dem blau­en Drei­eck, »Hafen­aus­fahrt«, bis zum blau­en Drei­eck, »Hafen­ein­fahrt« regel­mä­ßig gleich­schrit­tig ein­mal um die Uhr. Aus­fahrt zu Ein­fahrt. Umge­klappt aber, nur durch die spie­geln­de Wen­dung, dreht sich die Bewe­gung von Ein­fahrt auf Aus­fahrt. Damit es aber end­lich hin­aus­ge­hen kann, ist Tur­bu­lenz nötig, zufäl­li­ge Ein­stel­lun­gen. Die Wind­ro­se zer­fällt.

Für jene Ein­stel­lun­gen braucht es die Kom­pan­den des Kom­paß­rin­ges. Com­pas de Mer, Zir­kel des Mee­res, schritt­wei­se, wie­der­holt.

So hole ich einen der schwar­zen Kom­paß­kä­sten aus dem Kreis und set­ze ihn an der Basis des erst­be­sten Drei­ecks ab. Es folgt ein span­nen­der Moment, denn es braucht Kon­zen­tra­ti­on. Ich wer­de nur einen Augen­blick zum Able­sen haben.

Auch die Kom­paß­kä­sten haben ein spe­zi­el­les Innen­le­ben. Schon von außen fällt eine Rosette von klei­nen Boh­run­gen auf mit einem kur­zen Glas­röhr­chen in der Mit­te, aus dem ein Stab zit­ternd auf­taucht. An der Spit­ze eine klei­ne Per­le. Wenn man den Kasten trägt, schlägt die im Röhr­chen hin und her, auf und nie­der, tanzt.

Etwas Leben­di­ges?

Wie strikt hal­te ich mich an mein Blind­heits­ge­bot, jetzt, wo es zu Meß­vor­gän­gen kommt? Gegen­über der Nacht­fahrt in der Kunst­aka­de­mie bin ich im Krea­tiv­haus locke­rer, die Attri­bu­te ver­schlos­se­ner Augen und blockier­ten Seh­sin­nes wech­sel ich weni­ger ängst­lich, daß ja-kein Moment von Unbe­deckt­heit ent­ste­he – aber ich hal­te doch die Lider immer geschlos­sen. Was also jetzt? Ich mei­ne, ich hät­te hin­ge­guckt, doch erin­ner mich schwach, daß ich geta­stet hät­te. Doch glau­be ich, die Ruß­mas­ke, die Bedeckung mei­nes Gesich­tes, sogar der Augen­li­der mit dem fet­ti­gen Schwarz, hat­te auch den Sinn, mich qua­sima­gisch gegen die kom­men­den Maß­nah­men zu schüt­zen. Gucken war erlaubt.

Es ist Was­ser in den Kästen. Etwa halb­voll. Auf dem Was­ser schwimmt eine Vogel­wel­le ara­bes­que aus­ge­sägt, und hält den klei­nen Stab bzw. wird von ihm gehal­ten. Zwar kann die Vogel­wel­le frei im Kasten umher schwim­men, wird jedoch zunächst durch Stab und Röhr­chen zen­triert fest­ge­hal­ten und darf sich nur dre­hen.

Zen­triert heißt, daß es am Boden eine Ska­la gibt, genau der Art, wie sie auch die Drei­ecke tra­gen. Natür­lich ist der Kasten was­ser­dicht, die Ska­la durch eine Glas­plat­te geschützt trocken. Über­haupt sind die Wän­de blau aqua­rel­liert und meh­re­re Schich­ten Lack bil­den ein schö­nes Inte­ri­eur für den kon­ti­nu­ier­li­chen, schö­nen, aber ver­bor­ge­nen Meß­vor­gang. Die Vogel­wel­le dreht sich mit der Unru­he des Was­sers über der Ska­la.

Wenn ich einen der Kästen tra­ge – es gibt soli­de Tra­ge­grif­fe, aber ich bei jedem Schritt froh nicht zu stol­pern – wenn ich ihn abset­ze, noch, wenn ich den Deckel, wenn auch sehr vor­sich­tig abhe­be, dreht sich mut­maß­lich die Posi­ti­on der Vogel­wel­le über der Ska­la. Dann ist der Deckel ent­fernt, die Vogel­wel­le frei für nicht zen­trier­te Posi­tio­nen, und ehe sie des­sen gewahr wird, habe ich mei­nen Augen­blick des Able­sens.

Was ich da sehe, über­tra­ge ich auf die viel sti­li­sier­te­re Vogel­wel­le im Drei­eck. Die wird ent­spre­chend auf eine neue Ein­stel­lung gedreht.

Für jedes Drei­eck liegt ein Mast bereit. Jedes Drei­eck hat für den Mast eine Boh­rung. Ein Mast besteht aus einer Eisen­stan­ge, am obe­ren Ende ist waa­ge­recht eine U‑förmige Hal­te­rung ange­schweißt. Dort wird, getra­gen von einem fei­nen Feder­draht, je eines der Radar­lo­te augehängt. Soweit ist es noch nicht. Vor­her tra­ge ich die­ses Drei­eck noch in den Raum, suche ihm einen der Blick­blind-Stä­be. Man erin­ne­re sich, Ori­en­tie­rungs­pfa­de, mit den Füßen zu tasten (tat­säch­lich agie­re ich die gan­ze Zeit mit ver­bun­de­nen Augen) – sie wer­den nun zu Schiffahrts­rou­ten: da ich auf jede von ihnen, ein Drei­eck able­ge. Die Vogel­wel­le bestimmt die Lage. Immer muß der Que­rungs­an­zei­ger mit sei­ner Spann­wei­te par­al­lel über dem Stab lie­gen und immer zeigt die Mit­tel­spit­ze, auf wel­cher Sei­te des Sta­bes die Haupt­mas­se des Drei­ecks zu lie­gen kommt. Ent­spre­chend also kippt der Roset­ten­split­ter, bzw. das selt­sa­me Schiff über den Grat. Jedes Teil mit eini­ger Wahr­schein­lich­keit anders.

Sind alle Drei­ecke aus­ge­bracht, sind noch die Radar­lo­te zu befe­sti­gen.

Spie­len. Ent­we­der völ­lig will­kür­lich mit den Din­gen umge­hen. Blan­ke Umbe­nen­nung macht im Spiel aus einem oran­gen Ein­weg­feu­er­zeug ein Boot, wel­ches bei­spiel­haft gegen einen her­phan­ta­sier­ten Sturm ankreuzt. Blan­ker Hans. Oder andern­falls betont sen­si­bel, geht Spiel auf die Beschaf­fen­hei­ten eines Gegen­stan­des ein, und lotet Mög­lich­keits­räu­me aus, wie sie sich hin­ter allen Eigen­hei­ten auf­tun.

Ich gelang­te bei Gele­gen­heit kosten­los an einen Hau­fen Schnee­be­sen. Sie waren unüb­lich klein, hoch­glän­zend ver­zinkt, und, wie sie vor mir silb­rig auf dem Hau­fen lagen, schon selbst wie auf­ge­schäumt und ihrer pro­fa­nen Ver­wen­dung ent­zo­gen. Hat­te ich auch nicht vor. Schon der Mate­ri­al­reiz, der von ihnen aus­ging fas­zi­nier­te mich, sie elek­tri­sier­ten mich, Bedeu­tungs­fel­der umspiel­ten ihr Glit­zern. Schnee, Schaum, Zink, Metall, Anten­nen, das von ihren Schlin­gen umgrif­fe­ne, ange­faß­te  Nichts — unüb­lich über­durch­sich­ti­ge Prä­sen­zen, so kann eine bana­le Blei­stift­li­nie auf wei­ßem Papier plötz­lich Raum auf­zie­hen und krüm­men. Klei­ne Besen, klei­ne küh­le Kräf­te. Bald hat­te ich ihnen gefal­te­te Schiff­chen in den Schäu­mer gesetzt. Ich lehn­te eine Rei­he an die Wand, Kopf hoch, Geduld, was also wer­den wür­de, soll­te sich irgend­wann zei­gen. In den Augen, im Sinn. End­lich nahm ich sie mit in die Nacht.

Es brauch­te Wüschel­ru­ten, und sie boten sich an, als ich ein­mal in einen hoh­len Stil, einen Schweiß­draht steck­te. Schlag, ein Moment in wel­chem plötz­lich das spie­l­üb­li­che Als-Ob aus­fiel. Hier war eine moder­ne, futu­ri­sti­sche Wün­schel­ru­te im Wer­den zu begrei­fen. Mythi­sche, gar ritu­el­le Wur­zeln den­noch: Der Topf auf dem Feu­er unter der Rauch­öff­nung der Jur­te, es wird gerührt, geschäumt, gar gekocht. Sogar, wie prak­tisch, brach­te der Schweiß­draht eine Kup­fer­haut mit, gegen Kor­ro­si­on und zum Anlocken von Blit­zen. Elms­feu­er. Bewer­bung ange­nom­men. Sie muß­ten aber ihre Silb­rig­keit opfern.

Ich tauch­te zwölf Schaum­be­sen in schwar­ze Far­be. Ich lackier­te ver­kup­fer­te Schweiß­dräh­te. Eben­so je eine Kugel. Ich steck­te alles inein­an­der und wickel­te Len­ker­band unten um den Stab, als Griff, fal­te­te klei­ne Schiff­chen und bemal­te sie blau. Genau, von fast Weiß bis inten­siv Blau, wobei es ein rotes und ein grü­nes Schiff­chen gibt, die mit dem Blau der Hafen­aus­fahrt kor­re­spon­die­ren. Ich schob die Schiff­chen zwi­schen die Detek­tor­sch­lin­gen. Der Schweiß­draht war dick genug, ihn wei­ter oben mit einer ganz fei­nen Boh­rung zu ver­se­hen, durch die sich ein dün­ner, har­ter, federn­der Draht stecken ließ.

Sie ste­hen senk­recht, fein, ele­gant, wie wenn eigen­stän­dig. Aber es gibt eine Hal­te­rung. Ein gro­ßer Ring aus Holz mit zwölf  Ein­schnit­ten in der Innen­sei­te. Die Ruten stecken in die­sen Schlit­zen, der Ring lastet auf den Kugeln, das reicht, um das Anten­nen­feld auf­recht zu hal­ten. Die Radar­lo­te kön­nen den­noch leicht ent­nom­men wer­den. Die Feder­dräh­te lie­gen, vor jedem Lot einer, auf der Innen­sei­te des Rings wie die Stri­che einer Ska­la.

So knie ich nie­der, brin­ge den Quer­draht an, fas­se den Griff und schie­be ein Lot aus dem Schlitz. Gehe zum Mast eines der Schif­fe, und hän­ge das Lot, unten die Kugel, oben die Anten­ne, in das U und dort mit dem Feder­draht in eine klei­ne Ker­be. Die Ruten pen­deln sich in die Senk­rech­te, das blaue Schiff­chen bleibt immer par­al­lel zum Hori­zont.

Für die Nacht, wie für den außer­ir­di­schen Raum fällt der gewohn­te Hori­zont aus. Auch was senk­recht ist, kon­stru­iert sich künst­lich. Sogar die Sin­ne, die Wahr­neh­mung, sogar alle Gegen­stän­de, Wis­sen­schaf­ten, Evo­lu­tio­nen, die wir ansie­deln wür­den — künst­lich.

(093 – 100) Weil ein Schiff im Hafen blieb, bleibt auch ein Radar­lot übrig. Ich lege es auf den Durch­mes­ser. Neh­me aber den Kreis, Ring­fluß, auf und tra­ge ihn zum Fahr­zeug des Blin­den. Ich lege ihn um den Spie­gel­ka­sten. Die Ober­sei­te zeigt eine Fol­ge, eine Ring­bahn sich abwech­seln­der Far­ben. Blau, Grün, Rot, Schwarz. Immer auf hal­ber Strecke fährt je ein Schiff­chen der Gegen­far­be. Blau auf Schwarz, Rot auf Grün, und je umge­kehrt.

Ich zie­he mich aus (101 – 106) und dann die All­tags­klei­dung wie­der an.

Ich stei­ge aus der Per­for­mance aus und hin­ter­las­se eine durch Befah­ren ent­fal­te­te Nacht­land­schaft.